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Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Titel: Die letzte Fahrt des Tramp Steamer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Álvaro Mutis
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Sowie er die Kugeln seiner Pistole verschossen hatte, unterhielt sich der junge Erbe auf der ganzen Fahrt mit dem Schwarzen und besprach mit ihm Angelegenheiten des Schiffsunterhalts. Manchmal geruhte er in einer eher gezwungenen Freundlichkeit, die kaum ein richtiges Gespräch aufkommen ließ, das Wort an uns zu richten. Unterdessen teilte sich seine Frau in die Betreuung ihres Sohnes und die Aufmerksamkeiten für jeden Einzelnen von uns, mit denen sie uns in spontaner, liebenswürdiger Herzlichkeit überhäufte, wie sie bei den Landsmänninnen ihres Standes weit verbreitet ist und noch offensichtlicher und ausgeprägter bei denen niedrigerer Klassen. »Man hat mir gesagt, Sie sind Schriftsteller«, wandte sie sich mit oberflächlicher Neugier an mich. »Was schreiben Sie denn? Romane oder Gedichte? Ich lese sehr gern, aber nur romantische Dinge. Ist das, was Sie schreiben, sehr romantisch?« Ich wusste nicht recht, was antworten. Die Spannung war groß. Ich entschloss mich für die Wahrheit. Es wäre idiotisch gewesen, zu denken, das Gespräch könnte irgendeine verheißungsvolle Zukunft haben. »Nein«, antwortete ich, »sowohl Gedichte wie Erzählungen geraten mir immer schwermütig.« – »Das finde ich aber seltsam, Sie sehen nicht sehr traurig aus und auch nicht so, als hätte Ihnen das Leben viele Schläge versetzt. Warum also traurige Dinge schreiben?« – »So kommen sie eben heraus« – ich versuchte, dieser Befragung ein Ende zu setzen, deren herausragendstes Merkmal nicht eben Intelligenz war – »ich kanns auch nicht ändern.« Einen Moment lang versank sie in Nachdenken, und ein ganz leichter Schatten der Enttäuschung huschte ihr übers Gesicht. Keinen Moment dachte ich, sie meine es ernst. Ohne dass ich gerade von der Gruppe ausgeschlossen worden wäre, galt von diesem Augenblick an das schönste Lächeln natürlich nicht mehr mir.
    Als die Dämmerung hereinbrach, kehrten wir nach Punta Arenas zurück. Ich musste an diesem Abend für eine Sitzung im Wirtschaftsministerium in San José sein. Die Sonne, der künstlich aromatisierte kalifornische Wein und Figur, Stimme und Bewegungen dieses Frauenkörpers in der Spätnachmittagshitze machten mich immer schläfriger, bis ich in einen Schlummer sank, der mich jedoch nicht richtig übermannte, da ich den Worten des Gesprächs lauschte, ohne tief in ihren Sinn einzudringen. Plötzlich trat eine unerklärliche Stille ein, und ich spürte, wie ein kühler, ungewöhnlicher Schatten alles überflutete. Der Motorenlärm prallte an einer Fläche in der Nähe ab und hörte sich auf eine neue Art schrill und irritierend an. Ich erwachte, und als ich die Augen aufmachte, sah ich, dass wir längs eines Schiffs kreuzten, das mit schwer arbeitenden Maschinen den Hafen verließ. Im ersten Augenblick erkannte ich es nicht – einfach weil ich es nie so nahe gesehen hatte. Es war der Tramp Steamer von Helsinki. Dieselben mit großen Rost- und Schmutzflecken übersäten Breitseiten, die Kabinen und die Kommandobrücke unverändert verwahrlost und das Todesröcheln seiner Motoren wegen der Nähe noch ausgeprägter. In Helsinki war mir aufgefallen, dass es keine Besatzungsmitglieder gegeben, dass sich keine Fahrgäste bewegt hatten. Nur eine undeutliche Silhouette auf der Brücke hatte die Anwesenheit von menschlichen Wesen bezeugt. Damals schrieb ich das der niedrigen Außentemperatur zu. So musste es gewesen sein, denn jetzt beobachteten uns von den Luken und der Reling des Vorderdecks aus einige Matrosen in schmutziger, öl- und schweißbefleckter Kleidung und mit unpersönlichen Gesichtern, auf denen mehrwöchige Bärte zu sehen waren. Einige sprachen englisch, andere offenbar türkisch und ein paar wenige portugiesisch. Jeder Einzelne hielt es für nötig, in seiner Sprache Kommentare über die uns begleitende Frau zu machen, die ihnen in raffinierter Naivität zulächelte und beim Grüßen so heftig mit den Armen fuchtelte, dass ihre Brüste fast entblößt waren. Die Bemerkungen schwollen an, und unwillkürlich musste ich daran denken, dass diese unwirkliche Erscheinung die Männer nun weiß Gott wie lange auf ihrer stürmischen Reise begleiten würde. Die Sonne wärmte uns wieder, und zum zweiten Mal konnte ich am Heck die rätselhafte Silbe …ción lesen und darunter Puerto Cortés, in weißen Buchstaben, deren Farbe unter einer Schicht von Öl, Schmutz und mennigefarbenen Flecken zu verschwinden drohte, welche umsonst den gerippezerfressenden Rost zu bezwingen

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