Die letzte Flucht
deine Beichte an.«
»Woher weißt du, dass es eine Beichte ist?«
Finn Kommareck zuckte mit den Schultern.
»Es ist tatsächlich eine Beichte.«
Daniel brachte zwei Tassen Tee. Sie setzten sich an den kleinen Tisch im Wohnzimmer.
»Ich habe etwas Schlimmes gemacht.«
Finn atmete tief ein.
»Ich habe jemanden entführt.«
»Du – hast was?«
»Ich habe jemanden entführt. Den Chef der Firma Peterson & Peterson . Das ist die Firma, die dein Medikament herstellt.«
Dann erzählte er, was er getan hatte.
Es dauerte lange. Draußen wurde es schon dunkel. Danach war es lange still zwischen ihnen.
»Sag was, Finn. Bitte.«
»Erzähl mir das noch einmal. Die Geschichte, wie die Pharmafirmen Forschungsergebnisse von den Unikliniken abgreifen.«
»Sie forschen selber kaum mehr nach neuen Wirkstoffen. Das ist ihnen zu teuer. Sie zahlen den öffentlichen Forschungseinrichtungen ein paar Millionen und verdienen damit ein Vielfaches.«
»Das ist das Motiv!«
»Das ist was? Finn, was redest du? Ich hab dir eben gestanden, dass ich ein Verbrecher bin.«
Sie küsste ihn.
»Und ich dachte, du hast dir eine kleine Freundin gesucht.«
»Ich? Finn, ich liebe …«
»Ich weiß«, sagte sie. »Aber du hast mir eben das Motiv für den Mord an Bernhard Voss geliefert. Wir wissen, dass er die Drittmittelsatzung der Charité ändern wollte. Medizinische Forschungsergebnisse sollten allen Menschen, auch Bedürftigen zu Gute kommen. Ich habe die Bedeutung dieses Beschlusses nicht begriffen. Damit werden die Interessen der Pharmakonzerne beschnitten. Er hat in ein Wespennest gestochen, und wahrscheinlich wusste er es nicht einmal.«
Sie küsste Daniel auf die Nasenspitze.
»Jetzt muss ich dringend ins Präsidium.«
***
»Haben wir die Ergebnisse der KTU ?«
»Noch nicht. Sie melden sich sicher bald. Sie haben unsere Untersuchung vorgezogen.«
»Erinnert ihr euch, als wir über Voss gesprochen haben? Den guten Menschen. Vorbildlicher Familienvater. War er vielleicht auch. Großer Forscher. War er auch. Wollte, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Einkommen, an medizinischen Forschungsergebnissen der Charité teilhaben. Wir haben gedacht, das alles sei Tarnung. Und haben in der Fratze des Mörders und Vergewaltigers das wahre Gesicht des Bernhard Voss gesehen. Was ist, wenn es diese Fratze nie gegeben hat?«
»So zu denken, hat Maria schon einmal vorgeschlagen«, sagte Peter Dahlheimer.
»Es geht um Forschungsergebnisse. Was geschieht, wenn die öffentlichen Forschungseinrichtungen ihre Ergebnisse nicht mehr billig an die großen Pharmariesen abgeben?«
»Bernhard Voss wollte, dass bei der Vermarktung von Universitätsforschungen soziale Aspekte zu berücksichtigen seien. So stand es in dem Antrag für den Fakultätsrat, der auf seinem Rechner war«, sagte Schöttle.
»Ich will eine Liste der Mitglieder dieses Fakultätsrates.«
»Sofort.« Schöttle verließ den Raum.
Ein uniformierter Polizist brachte Maria einen Zettel. Sie las ihn und sagte dann: »Die KTU meldet Neuigkeiten.«
Gespanntes Schweigen.
»Die Kollegen von der Kriminaltechnik fanden in dem Sperma von Bernhard Voss, das auf und in der Leiche von Jasmin Berger sichergestellt wurde, Rückstände von Nonoxynol 9. Das ist ein Wirkstoff, der zur Herstellung Spermien-abtötender Mittel verwendet wird, auch Spermizide genannt. Viele Hersteller von Kondomen verwenden spermizide Gleitmittel in ihren Produkten. Es kann als sicher angenommen werden, dass sich das Sperma von Bernhard Voss in einem Kondom befand, bevor es auf die Leiche von Jasmin Berger gelangte.«
»Wir lassen Georg Dengler laufen«, sagte Kommareck.
Niemand widersprach.
Schöttle brachte kurz danach die Personenliste des Fakultätsrats.
Finn Kommareck überflog sie.
»Sieh mal an. Zwei Bekannte haben wir da. Professor Schulz gehört diesem Rat an. Er behandelte Voss, als er floh. Der SEK – Leiter behauptete später, Schulz habe Voss die Flucht erst möglich gemacht. Rüdiger Voss gehört dem Gremium auch an. Ich brauche von allen die Telefon- und Verbindungsdaten zwei Wochen vor und drei Wochen nach den beiden Morden.«
»Ist schon veranlasst«, sagte Schöttle.
»Ich will diesen Rat sehen. Trommelt sie zusammen, und zwar jetzt. Wenn jemand nicht kommen will, holt ihn mit dem Streifenwagen.«
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78. Konferenz
Niemand sagte Dengler, warum er freigelassen wurde. Weder Maria Marksteiner noch Finn Kommareck erschienen.
Der Wärter schloss seine Zelle auf und sagte:
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