Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
die kleine Grace, die Helen sofort geliebt und jeden Tag ihrer Gefangenschaft gehegt und gepflegt hatte.
    »Und Helen wusste gar nicht, dass sie eine Angehörige des saudischen Königshauses zur Welt gebracht hatte«, sagte Gary. »Eine Prinzessin!«
    Helen war zu der Überzeugung gelangt, dass sie das Baby aus diesem Grund bisher nicht wiederbekommen hatte, obwohl ihre Rettung aus der Krypta von La Seu schon fünf Tage zurücklag. Das Baby stand offenbar im Zentrum eines heftigen diplomatischen Streits.
    »Glaubst du, das ist der Grund, weshalb Helen uns angerufen hat und weshalb sie so darauf besteht, dass wir zu dem Empfang bei AxysCorp gehen?«, überlegte Gary.
    »Vermutlich. Wenn Lammockson uns aus Barcelona rausholen kann, kann er das Baby vielleicht auch aus Riad rausholen,
oder wo immer es sein mag. Also gehen wir hin, schätze ich.«
    »Klar! Wir haben gesagt, wir würden zusammenhalten, wir vier, nicht wahr? Aber deine Mum …«
    »Ich kann nichts mehr für sie tun«, sagte Lily mit fester Stimme. »Aber Helen und dem Baby kann ich helfen. Jetzt essen wir erst mal bei meiner Schwester zu Abend. Du wirst die Kinder mögen. Komm!«
     
    Sie machten sich auf den Rückweg, verließen den Park, stapften klatschnasse Bürgersteige entlang.
    Am Kreisverkehr, wo die High Street in die Fulham Road mündete, war ein Abwasserkanal verstopft, und es hatte sich ein See gebildet. Die Autos fuhren hindurch, wobei sie gewaltige Wasserfahnen aufspritzen ließen. Lily und Gary mussten einen Umweg machen. Als sie zur Fulham Road kamen, hatten sie beide nasse Füße. So war offenbar das Leben in London: Regen, nasse Füße, blockierte Straßen.
    Jetzt leerten sich die Schulen, und die Straßen füllten sich mit gelben Schulbussen im amerikanischen Stil, eine weitere Innovation seit Lilys Entführung. Auf der Fulham Road gerieten sie in eine wachsende Menge von Eltern und Kindern, die zwischen den Wasserströmen im Rinnstein und den Sandsackreihen lärmend und lachend den Bürgersteig entlangeilten. Lily fragte sich, wie viele Nationen der Welt in dem fröhlich stimmenden Regenbogen von Gesichtern um sie herum wohl vertreten waren. Dies war ein altes, längst vom Wachstum Londons überwältigtes Dorf, ein Ort, durch den man bloß hindurchfuhr, aber die Leute lebten hier noch immer so wie damals, als Lily ein Kind gewesen war; sie arbeiteten
noch immer, gingen einkaufen und brachten ihre Kinder zur Schule, kamen noch immer hier zur Welt, wurden alt und starben an diesem Ort.
    Und dann ließ der Regen ein wenig nach, und ein Strahl Sonnenlicht brach durch die aufreißenden Wolken und schimmerte auf dem Wasser, das auf den Straßen und in den Rinnsteinen stand, auf Rasenflächen und Spielplätzen. Unerklärlicherweise war Lily an diesem Tag, an dem sie vom Tod ihrer Mutter erfahren hatte, optimistisch gestimmt. Sie war frei, und hier kam die Sonne heraus und versuchte zu scheinen. Aus einem spontanen Impuls heraus ergriff sie Garys Hand, und er erwiderte ihren Druck.

7
    Am nächsten Tag rief George Camden, der ruhige, kumpelhafte Exmilitär, der sie aus Barcelona rausgeholt hatte, Lily frühmorgens in ihrem Hotel an. Er sagte, die Einladung zum Lunch mit Nathan Lammockson am heutigen Tag sei bestätigt worden. Lammocksons »Hydrometropole«, so Camden, befand sich in Southend, rund fünfzig Kilometer östlich vom Londoner Zentrum am Rand der Themsemündung. Ein Hubschrauber würde Lily und Gary um elf Uhr vom London City Airport abholen.
    Gary traf Lily draußen vor dem Hotel an, im Regen. Er sah auf seinen Handheld. »Hast du die Nachrichten verfolgt? Erinnerst du dich noch an diesen Nordseesturm, von dem im Autoradio die Rede war? Der ist auf dem Weg nach Süden.«
    Es regnete bereits Bindfäden, und jetzt war auch noch ein Sturm im Anmarsch. »Na prima!«
    »Letzte Nacht ist die gesamte Ostküste überschwemmt worden.«
    Er zeigte ihr den Handheld. In den BBC-Nachrichten ging es ausschließlich ums Wetter; man sah Bilder des über die Ufer getretenen Tyne, der sich in die schicken Restaurants an der Quayside von Newcastle vorarbeitete. Die Insel Lindisfarne, seit jeher ohnehin nur durch einen Gezeitendamm mit
dem Festland verbunden, war abgeschnitten; entnervte Urlauber saßen dort fest. Strände in Lincolnshire waren überflutet worden. Es gab Flutwarnungen für East Anglia, für Boston und King’s Lynn, wo das Meer die neuen Hochwassersperren im Wash, dem Mündungsgebiet der Flüsse Great Ouse und Welland, einem Crashtest

Weitere Kostenlose Bücher