Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
einem Kellner mit einem Tablett voller Champagnergläser empfangen. Sie nahmen sich jeder ein Glas, dann betraten sie einen kavernenartigen Raum mit quadratischen Wänden und hoher Decke. Ein gewaltiger Kronleuchter, ein Stalaktit aus Glas und Licht, hing über einem großen, donutförmigen Tisch, auf dem sich Getränke und Speisen stapelten. Die in Pastellfarben gestrichenen Wände waren von unten beleuchtet und mit teuer aussehenden Kunstwerken behängt. Die Gemälde wirkten seltsam dunkel und düster, altertümliche Relikte in dieser modernen Opulenz.
Die Gäste bewegten sich lässig und selbstbewusst durch den Raum, die Männer meistens im Anzug, die Frauen in langen Kleidern. Ihr schrilles Geplauder war schrecklich laut, während sie den Speisen und Getränken zusprachen, den riesigen Kronleuchter bewunderten, der leise klirrte und glitzerte, und die Kunstwerke inspizierten. Nachrichtenteams folgten ihnen, Kameramänner und Interviewer mit Mikrofonen. In einer Ecke spielte ein Streichquartett, dessen Musik in dem Gebrabbel jedoch unterging.
Und all dies fand auf dem Wasser statt. Lily spürte das
sanfte Wogen des Meeres. Das Schaukeln war nicht einmal unangenehm, es verband sich mit der Wirkung des Champagners - doch Lily rief sich ins Gedächtnis, dass sie fünf Jahre zwangsweisen Entzug hinter sich hatte und noch nicht wieder an Alkohol gewöhnt war.
»Wir sind auf der verdammten Titanic «, sagte Gary mit belegter Stimme.
George Camden kam auf sie zu. Er trug Smoking und Fliege und wirkte sehr elegant. »Ah, Mr. Boyle, Ihr Humor hat mir in den letzten Tagen gefehlt. Das hier ist keineswegs ein Schiff - ich glaube, Mr. Lammockson wäre beleidigt, wenn er das gehört hätte -, sondern Teil einer Hydrometropole, einer schwimmenden Stadt. Wenn auch einer kleinen.«
»Einer was, bitte?«
»Und Captain Brooke.« Camden überging Garys Einwurf und lächelte Lily an. »Freut mich sehr, Sie zu sehen. Sie sind heute Nachmittag die Ehrengäste, Sie alle vier.«
Lily sah sich um. »Helen und Piers sind auch hier?«
»O ja. Mr. Lammockson bittet um Entschuldigung, dass er Sie nicht persönlich empfangen kann. Er hat ein paar Anrufe zu erledigen.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte Gary. Er hatte seinen Champagner ausgetrunken und griff nach einem neuen Glas. »Solche Leute haben immer Anrufe zu erledigen.« Er zeigte auf die Wand zu seiner Linken. »Ist das nicht ein Gauguin?«
»Hätte dich nie für einen Kunstliebhaber gehalten, Boyle«, sagte Lily. Ein Paar kam auf sie zu. Es war Piers Michaelmas in einer schneidigen, neuen britischen Armeeuniform, mit Helen Gray am Arm. »Aber du hast natürlich recht. Ist ja
auch klar - genau für solche Sachen würde diese Bande von Hedgies und Börsenfritzen ihr Geld rausschmeißen. Hallo, ihr beiden!« Piers stand aufrecht da. Sein dunkles Haar war kurz geschoren und wirkte militärisch korrekt. Nur die Falten um seine Augen mochten ein Indiz dafür sein, dass dieser Mann einen großen Teil der letzten Jahre in völligem Schweigen verbracht hatte, das Gesicht unter einem schmutzigen Handtuch vor seinen Entführern verborgen, deren Blicke er nicht ertragen konnte.
Sie tauschten sich über ihre Erlebnisse aus. In den vergangenen Tagen war ihr Leben ähnlich verlaufen, eine Abfolge ärztlicher Untersuchungen, Befragungen, Familienbesuche, Medienauftritte.
Nur Piers schien darauf zu brennen, wieder an die Arbeit zu gehen. »Dieser ganze verdammte Klimakram«, sagte er zu Lily. »Damit ist es so richtig losgegangen, während wir eingebuchtet waren - schneller, als die Eierköpfe es jemals erwartet hätten. Irgendwas Neues ist da im Gange, habe ich gehört, aber niemand weiß so recht, was …« Er verlor kein Wort über ihre Gefangenschaft oder deren Nachwirkungen.
»Verdrängung«, flüsterte Gary hinter seinem Rücken. »Der Kerl ist ein wandelnder Fall für die Ärztekonferenz.«
»Pst«, zischte Lily zurück. Sie wandte sich an Helen, die ein schlichtes schwarzes Kleid trug. Helen war schön, fand Lily, mit ihren kurz geschnittenen blonden Haaren. Aber das Kleid und die Frisur betonten nur ihre Schmächtigkeit und Blässe und den gehetzten Blick in ihren blauen Augen. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Grace?«
»Nichts als Sackgassen«, erwiderte Helen. »Der Arzt, der mir Grace weggenommen hat, war ein Mitarbeiter von
AxysCorp. Seitdem haben sie sie weitergereicht wie eine scharfe Granate. AxysCorp hat sie einem Sanitäter der US Army ausgehändigt, der hat
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