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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Liverpool war die Lage in diesem Sommer besonders schlimm, und Lily sah ein schockierendes Satellitenbild von East Anglia: Das Meer war weit über seine alten Grenzen hinaus ins Landesinnere vorgedrungen, hatte die Fens überflutet und plätscherte in Richtung Wisbech und Spalding; überall in dem bearbeiteten Bild breiteten sich dunkelblaue, freie Wasserflächen aus.

    Die Bilder hatten etwas Unwirkliches. Lily war überrascht, dass nicht jedermann fortwährend über diese aus ihrer Sicht gewaltigen Veränderungen sprach. Aber vermutlich gewöhnte man sich im Lauf der Jahre daran. Ihre eigene Reaktion beruhte wohl vor allem darauf, dass sie im Schnellvorlauf in eine unbekannte Zukunft geschleudert worden war.
    »Einige dieser Vorfälle sind fluviatil - ungewöhnlich starker Regen, über die Ufer tretende Flüsse«, erklärte Gary. »Die Überschwemmungen an den Küsten werden offensichtlich vom Meer verursacht … Ich nehme an, du hast Helens Anruf bekommen.«
    »Ja. Ich wusste gar nicht, dass Said, dieser Scheißkerl, Sohn eines Saudi-Fürsten war. Was für ein Privileg für uns, von ihm misshandelt worden zu sein.«
    »Ja, wahrhaftig«, stimmte er verdrießlich zu.
    Die meisten ihrer Bewacher waren Spanier gewesen. Doch als sie sich in den Händen muslimischer Splittergruppen befunden hatten, waren einige auch von weiter her gekommen. Manche radikalen Muslime träumten davon, jeden Zentimeter des Waqf zurückzuerobern, jenes Gebiets, das sie im achten Jahrhundert während der ersten islamischen Expansion beansprucht hatten, von Spanien bis zum Irak. Und so waren Kombattanten aus allen Teilen der islamischen Welt in den Konflikt in Spanien hineingezogen worden.
    Die Gefangenen allerdings hatten sich nicht im Geringsten für die Herkunft ihrer Bewacher interessiert. Für sie zählte nur, wie diese sich benahmen. Die Christen wie auch die Muslime waren fast alle sehr junge Männer gewesen, radikalisiert durch die feurigen Worte von Predigern - die meisten ungebildet und sexbesessen. Einige hingegen waren
charakterlich gefestigt gewesen und hatten einen beinahe normalen Eindruck gemacht; sie waren freundlich mit den Gefangenen umgegangen, ja hatten offenbar sogar deren Zuneigung gewinnen wollen.
    Andere Bewacher hatten ihnen wehgetan, obwohl die Gefangenen angeblich wertvolle Geiseln waren. Es hatte Bestrafungen in Form von Prügeln und Gürtelhieben gegeben. In der Regel hatten sie einen Vorwand für die Gewalt gesucht, zum Beispiel, als Lily in den Hungerstreik getreten war. Manche waren jedoch über jede denkbare Rechtfertigung hinausgegangen. Es waren verwirrte junge Männer, die ihre Frustration und Verwirrung an ihnen ausgelassen hatten, und dabei hatte es keine Rolle gespielt, wer man war oder was man getan hatte. Lilys schlimmste Erfahrung war eine amateurhafte Bastinade gewesen: Man hatte sie verschnürt, ihr die Hände auf den Rücken und an die Knöchel gekettet und sie mit einer Eisenstange auf die Fußsohlen geschlagen - ein unglaublich schmerzhaftes Erlebnis. Das hatte nicht Said getan, aber ein Mann wie er.
    Sie war im Laufe der Zeit zu der Überzeugung gelangt, dass die Beweggründe für solche Übergriffe immer eine sexuelle Komponente enthielten, selbst wenn der Übergriff von seinem Wesen her nicht sexuell war. Man spürte die Erregung des Mannes, der über einem stand, roch die salzige Würze des Atems, den er einem in den Nacken blies, hörte das hektische Pumpen seiner Lungen.
    Was Sex selbst betraf, so war Lily von diesen dummen Jungen betatscht und verprügelt worden, aber etwas in ihrem Verhalten schien sie stets eher in Verlegenheit gebracht als erregt zu haben. Die fünfzehn Jahre jüngere Helen Gray hatte
nicht so viel Glück gehabt. Nach zwei oder drei Vergewaltigungen durch Said - Helen war jedes Mal weggebracht worden und wollte nicht über ihre Erlebnisse reden, obwohl das Blut und die blauen Flecken eine deutliche Sprache sprachen - hatten die anderen Bewacher der Sache jedoch ein Ende gemacht. Dann eines Tages war Said verschwunden; vielleicht hatte man ihn an eine andere Front des großen Schlachtfelds versetzt.
    Zuvor hatte er Helen allerdings noch ein Kind angehängt. Ihre Schwangerschaft im Kerker, durchgestanden mithilfe ihrer Mitgefangenen und deren bruchstückhaften Kenntnissen in Erster Hilfe und Feldmedizin, sowie die anschließende Entbindung durch eine zwangsweise hinzugezogene, verängstigte Medizinstudentin waren schrecklich gewesen. Doch am Ende war ein Baby da gewesen,

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