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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Scheibe war in ihrem ersten Viertel: mehr als die Hälfte der sichtbaren Scheibe lag noch in Dunkelheit. Es waren wenige Wolken da, nur einige Streifen zogen in der Linie der Passatwinde entlang. Die arktische Kappe glitzerte und blinkte, wurde aber durch die blendenden Sonnenreflexe im nördlichen Pazifik weit überstrahlt.
    Man hätte es für eine Wasserwelt halten können: Auf dieser Halbkugel war fast gar kein Land. Der einzige sichtbare Kontinent war Australien, ein dunkler Nebel in dem atmosphärischen Dunst am Rande des Planeten.
    Das Schiff glitt in den großen Schattenkegel der Erde hinein: die leuchtende Sichel wurde kleiner, schrumpfte zu einem brennenden Feuerbogen zusammen und verschwand. Unten waren Dunkelheit und Nacht. Die Welt schlief.
    In diesem Augenblick erfaßte Jan, was nicht stimmte. Dort unten war Land – aber wo waren die glänzenden Lichterketten, wo die glitzernden Diamanten, die die Städte der Menschen gewesen waren? Auf dieser ganzen, in Schatten gehüllten Halbkugel gab es keinen einzigen Lichtfunken, um die Nacht zu verscheuchen. Spurlos verschwunden waren die Millionen Kilowatt, die einstmals sorglos zu den Sternen emporgeschleudert worden waren. So wie er die Erde jetzt sah, mochte sie vor dem Kommen der Menschen gewesen sein.
    Dies war nicht die Heimkehr, auf die er gehofft hatte. Hier konnte er nichts tun als beobachten, während die Furcht vor dem Unbekannten in ihm wuchs. Irgend etwas war geschehen, irgend etwas Unvorstellbares. Und doch senkte sich das Schiff zielsicher in einer langen Kurve, die es wieder über die von der Sonne beleuchtete Halbkugel führte.
    Er sah nichts von der tatsächlichen Landung, denn das Bild der Erde verschwand plötzlich und machte dem sinnlosen Muster von Linien und Lichtern Platz. Als das Bild wieder klar war, befanden sie sich auf dem Boden. In der Ferne standen große Gebäude. Maschinen bewegten sich, und eine Gruppe von Overlords beobachtete sie.
    Irgendwo hörte man das dumpfe Getöse der Luft, als das Schiff den Druck ausglich, dann das Geräusch der großen, sich öffnenden Türen. Er wartete nicht. Die schweigenden Riesen betrachteten ihn mit Nachsicht oder Gleichgültigkeit, als er aus dem Kontrollraum hinauseilte.
    Er war daheim, sah endlich wieder das funkelnde Licht seiner eigenen vertrauten Sonne, atmete die Luft, die zuerst durch seine Lungen geflutet war. Der Laufsteg war schon heruntergelassen, aber er mußte einen Augenblick warten, bis das Licht draußen ihn nicht mehr blendete.
    Karellen stand etwas abseits von seinen Gefährten neben einem großen, mit Kisten beladenen Lastwagen. Jan wunderte sich nicht, daß er den Oberkontrolleur erkannte, noch war er überrascht, ihn völlig unverändert zu finden. Das war fast das einzige, was so war, wie er es sich vorgestellt hatte.
    „Ich habe auf Sie gewartet“, sagte Karellen.
     
     
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    „Anfangs“, sagte Karellen, „konnten wir uns ruhig unter ihnen bewegen. Aber sie brauchten uns nicht mehr. Unsere Arbeit war getan, als wir sie zusammengeführt und ihnen einen eigenen Kontinent gegeben hatten. Sehen Sie!“
    Die Wand vor Jan verschwand. Statt dessen blickte er von einer Höhe von einigen hundert Metern auf eine liebliche waldige Landschaft. DieIllusion war so vollendet, daß er gegen einen plötzlichen Schwindel ankämpfen mußte.
    „Dies ist fünf Jahre später, als der zweite Abschnitt begonnen hatte.“
    Dort unten bewegten sich Gestalten, und die Kamera stürzte sich wie ein Raubvogel auf sie.
    „Es wird Sie quälen“, sagte Karellen. „Aber Sie müssen bedenken, daß Ihre Maßstäbe nicht mehr anwendbar sind. Sie betrachten keine menschlichen Kinder.“
    Und doch war das der unmittelbare Eindruck, den Jan hatte, und keine Logik konnte ihn zerstreuen. Es konnten Wilde sein, die sich verworrenen rituellen Tänzen hingaben. Sie waren nackt und schmutzig, und wirre Haare verdeckten ihre Augen. Soviel Jan sehen konnte, waren alle Altersstufen von Fünf bis Fünfzehn vertreten, aber alle Kinder bewegten sich mit der gleichen Schnelligkeit, Genauigkeit und völligen Gleichgültigkeit gegen ihre Umgebung.
    Dann sah Jan ihre Gesichter. Er schluckte heftig und zwang sich, nicht wegzusehen. Sie waren leerer als die Gesichter von Toten, denn selbst ein Leichnam trägt in seinem Gesicht Spuren, die der Meißel der Zeit eingegraben hat, und die zu einem sprechen, wenn auch die Lippen selbst verstummt sind. Diese Gesichter hatten nicht mehr Gefühl oder Ausdruck als die von

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