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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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sein. Er dachte an das ungeheuerliche Auge in der tiefen Grabkammer, aber nein, dies war unfaßlich. Es war nicht organisches Leben, was er hier beobachtete: Es war nicht einmal Materie, wie er sie kannte.
    Das dunkle Rot erhellte sich zu einer grelleren Tönung. Streifen von lebhaftem Gelb erschienen, so daß Jan für einen Augenblick das Gefühl hatte, einen Vulkan zu betrachten, aus dem sich Lavaströme auf das Land ergossen. Aber diese Ströme hier bewegten sich aufwärts, wie er an gelegentlichen Flecken und Änderungen erkennen konnte.
    Jetzt erhob sich irgend etwas aus den roten Wolken am Fuß des Berges. Es war ein riesiger Ring, völlig waagerecht und völlig kreisrund, und er hatte die Farbe von allem, was Jan so weit hinter sich gelassen hatte, denn die Himmel der Erde hatten kein lieblicheres Blau gehabt. Nirgends in der Welt der Overlords hatte er solche Schattierungen gesehen, und seine Kehle schnürte sich zusammen, weil sie solche Sehnsucht und ein solches Einsamkeitsgefühl in ihm hervorriefen.
    Der Ring dehnte sich aus, während er höher hinaufglitt. Jetzt stand er höher als der Berg, und die Jan zugekehrte Rundung näherte sich ihm schnell. Es mußte irgendein Wirbel sein, dachte Jan, ein Rauchring, der schon viele Kilometer breit war. Aber er zeigte keine Rotation, wie er sie erwartete, und schien gleich fest zu bleiben, obwohl sein Umfang sich vergrößerte.
    Sein Schatten glitt vorbei, lange bevor der Ring selbst majestätisch über ihm schwebte und sich noch immer höher in den Raum erhob. Jan beobachtete ihn, bis er zu einem dünnen blauen Faden geworden war, den das Auge in der umgebenden Röte des Himmels kaum wahrzunehmen vermochte. Als er endlich verschwand, mußte er schon viele Kilometer breit gewesen sein. Und er war noch immer im Wachsen.
    Er blickte zurück auf den Berg, der jetzt golden erschien und ohne alle Flecken war. Vielleicht war es Einbildung – Jan konnte jetzt fast alles glauben –, aber er erschien höher und schmaler und schien sich zu drehen wie der Trichter eines Wirbelsturms. Erst jetzt erinnerte sich Jan, der noch immer wie betäubt und von seinen Verstandeskräften verlassen war, an seine Kamera. Er hob sie in die Augenhöhe und richtete sie auf jenes unmögliche, erschütternde Rätsel.
    Vindarten trat schnell dazwischen. Mit unerbittlicher Festigkeit bedeckten seine großen Hände die Linse und zwangen Jan, die Kamera zu senken. Jan versuchte nicht, Widerstand zu leisten. Es wäre natürlich nutzlos gewesen, aber er empfand plötzlich eine tödliche Furcht vor jenem Etwas da draußen am Rande der Welt und wollte nichts mehr damit zu tun haben.
    Auf all seinen Ausflügen hatte es nichts gegeben, was er nicht hatte fotografieren dürfen, und Vindarten gab keine Erklärungen. Statt dessen nahm er sich viel Zeit, Jan dazu zu bringen, in den kleinsten Einzelheiten das Gesehene zu beschreiben.
    Da begriff Jan, daß Vindartens Augen etwas ganz anderes gesehen hatten, und jetzt ahnte er zum erstenmal, daß auch die Overlords ihre Herren und Meister hatten.
    Er kehrte heim, und alles Staunen, alle Furcht und Geheimnisse lagen weit hinter ihm. Es war dasselbe Schiff, vermutete er, aber sicherlich nicht dieselbe Mannschaft. Wie lang auch ihr Leben sein mochte, es war kaum anzunehmen, daß die Overlords sich freiwillig all die Jahrzehnte, die eine Intersternenfahrt beanspruchte, von ihrer Heimat trennen würden.
    Die Relativitäts-Zeitausdehnung wirkte natürlich beiderseitig. Die Overlords würden auf der Rundreise nur vier Monate altern, aber wenn sie zurückkehrten, wären ihre Freunde achtzig Jahre älter geworden.
    Wenn Jan es gewünscht hätte, so hätte er zweifellos für den Rest seines Lebens hier bleiben können. Aber Vindarten hatte ihm gesagt, daß mehrere Jahre lang kein anderes Schiff zur Erde fahren würde, und hatte ihm geraten, diese Gelegenheit zu benützen. Vielleicht hatten die Overlords erkannt, daß sein Geist selbst in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit fast am Ende seiner Möglichkeiten angelangt war. Oder er wäre vielleicht nur lästig geworden, und sie konnten nicht mehr Zeit an ihn verschwenden.
    Das war jetzt bedeutungslos, denn die Erde lag vor ihm. Er hatte sie Hunderte von Malen so gesehen, aber immer durch das ferne, mechanische Augen der Fernsehkamera. Jetzt endlich war er selbst hier draußen im Weltraum, während sich der Schlußakt seines Traums abspielte und die Erde auf ihrer ewigen Bahn dort unten kreiste.
    Die große, blaugrüne

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