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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Handschrift
Contarinis. Er hat sich noch gestern Abend an die Arbeit gemacht
und den lateinischen Text ins Italienische übertragen. Fragen
Sie mich nicht, warum und für wen er diese Übersetzung
angefertigt hat.»
    «Doch kaum
für sich selber», sagte Bossi.
    «Richtig. Aber
für wen hat er den Text übersetzt? Das ergibt alles im
Moment noch keinen Sinn.»
    «Was machen wir?
Nehmen wir diese Papiere mit, oder lesen wir die Fortsetzung
hier?»
    «Wir nehmen
nichts mit», sagte Tron. «Contarini würde sofort
vermuten, dass wir es waren, die hier bei ihm eingebrochen sind.
Wir lesen die Fortsetzung hier. Dass uns jemand überrascht,
ist auszuschließen.»
    «Jedenfalls
haben wir jetzt den Beweis, dass es Contarini war, der Flyte
gestern Abend ermordet hat.»
    Tron nickte. «Es
sieht ganz so aus. Aber das hatten wir ohnehin schon vermutet. Viel
interessanter ist, wie es mit Zanetto Tron
weitergeht.»
    «Und was es mit
dem Glas auf sich hat.»
    «Genau,
Bossi.»
    «Dann lesen Sie,
Commissario.»

48
    3.5.
    Heute Mittag die
erlösende Nachricht. Pietro hat seine Verbindungen spielen
lassen und eine Passage für mich ausfindig gemacht. Die Santa
Maria, umgebauter Lastsegler, legt morgen früh in Chrysopolis
nach Venedig ah. Pietro hat eine von drei Kabinen für mich
reserviert. Ist nicht billig, aber kann es mir leisten. Will noch
in dieser Nacht von Bord gehen.
    Bin in Sicherheit.
Gestern Nacht Überquerung des Bosporus in einem Ruderboot. Am
westlichen Horizont das rötlich schimmernde Byzanz.
Schöner Anblick, wenn man nicht wüsste, dass immer noch
ganze Stadtteile in Brand stehen. Übernachtung in einem
primitiven Gasthaus, vorsichtshalber die Tür verrammelt. Im
Morgengrauen zum Anleger, dort eine
«Bearbeitungsgebühr» (so nannten die Franzosen
das) entrichtet. Dann an Bord und zwei Stunden später bei
günstigem Wind abgelegt. Die Santa Maria schneller als
erwartet, obwohl stark beladen und tief im Wasser. Lange am Heck
gestanden und die rauchende Stadt betrachtet, die immer kleiner
wurde und schließlich am Horizont verschwand. Wir haben den
letzten Rest der antiken Welt in Schutt und Asche gelegt und
sollten uns schämen.
    Wenn alles gutgeht,
sind wir bald im Ionischen Meer und in zwei Monaten in Venedig.
Immer noch stetiger Ostwind. Euros hieß er, glaube ich, bei
den alten Griechen. Sein Vater war Astraios, der Gott der
Abenddämmerung, und Eos, die Göttin der Morgenröte,
war seine Mutter. Hübsch. Bin dem Christlichen momentan
weniger gewogen. Will abends auch wieder im Seneca lesen, wie auf
der Hinreise. Kommt mir wie ein Wunder vor, dass ich noch
lebe.
    Vor dem Einschlafen
wieder Beschäftigung mit dem Glas. Wenn sich das Leuchten
verstärkt, brauche ich zum Lesen im Bett diese qualmende
Ölfunzel nicht mehr. Alles sehr skurril. Wer das Rezept dieser
speziellen Sorte von Glas hat und in die Produktion einsteigt,
macht ein Vermögen. Ist es das, worum es Dandolo ging? Wollen
die Dandolos wieder ins Glasgeschäft? Aber was hat Peter von
Capua damit zu tun? Interessiert sich auch der Vatikan für die
Glasherstellung? Das alles ergibt keinen Sinn.
    9.5.
    Ionisches Meer.
Vierter Tag an Bord, immer noch guter Wind. Neben mir in der Kabine
ein Priester, freundlicher Mann. Die dritte Kabine verschlossen,
angeblich vollgestopft mit Beute. Gehört drei Franzosen, die
im Frachtraum schlafen. Wollen in Apulien von Bord gehen, um ein
Schiff nach Marseille zu nehmen. Auf Deck Kisten, Säcke und
mindestens hundert Passagiere, die im Freien schlafen. Viele
Leichtverwundete, die ihr letztes Geld zusammengekratzt haben und
nur noch nach Hause wollen. Bedeutet natürlich, dass wir auf
dem Weg nach Venedig mindestens viermal an Land müssen, um
Trinkwasser und Proviant zu bunkern. Unangenehm. Schwierig, hier
ein ruhiges Eckchen zum Schreiben zu finden.
    Gespräch mit
dem Kapitän, Landsmann aus Castello. Hat im letzten Jahr
aussortierte Lastsegler gekauft und sich der Flotte auf gut
Glück angeschlossen. Pendelt jetzt zwischen Byzanz und Venedig
und macht kein Hehl daraus, dass die Beförderung von
Passagieren glänzende Profite abwirft. Will in Venedig zwei
weitere Lastsegler erwerben, um das Geschäft auszuweiten. Die
Frachtraten, sagt er, sind noch nie so hoch gewesen. Der vierte
Kreuzzug ist für alle möglichen Leute ein hervorragendes
Geschäft.
    12. 5.
    In meiner Kabine
ein wenig mit dem Glas experimentiert. Der Leuchteffekt tritt nur
ein, wenn man das Glas berührt. Ohne Berührung steht es
einfach nur da und

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