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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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den Bischofsring, über den er
Bossi gerade belehrt hatte. Bossi ging ebenfalls in die Knie und
berührte den Ring mit seinen Lippen. Entweder war der Bischof
durch diese Geste spontaner Huldigung besänftigt, oder es war
das Geräusch aus der Speisekammer - ein Scharren, gefolgt von
einem Klirren -, das ihn veranlasste, einen Schritt
zurückzutreten und wortlos mit seiner
amethystgeschmückten Hand auf die Tür zum Flur zu
weisen.
    *
    «Großer
Gott», sagte Bossi, als sie die Stufen zum ersten Stock
hinaufstiegen. «Es ist wirklich so, wie man es sich
vorstellt. Ob die jetzt weitermachen?»
    Tron schüttelte
den Kopf. «Ich denke, sie werden die Damen nach Hause
schicken, ins Bett gehen und niemandem von unserem Auftritt
erzählen.»
    Im ersten Stock des
Südflügels brauchte Bossi nur ein paar Sekunden, um das
Schloss von Contarinis Tür zu öffnen, und Tron nicht
länger als ein paar Minuten, um das zu finden, was sie haben
wollten. Das Gesuchte steckte in einer ledernen Aktentasche, die
Contarini am Boden seines Kleiderschranks deponiert und
nachlässig mit ein paar Kleidungsstücken abgedeckt hatte.
Offenbar ging er davon aus, dass niemand es wagen würde, das
Quartier eines römischen Monsignore in dessen Abwesenheit auch
nur zu betreten. In der Aktentasche lag eine Gazetta di Venezia und darin
eingeschlagen drei Bögen im üblichen Kanzleiformat sowie
ein paar zusammengefaltete Blätter aus fleckigem, dickem
Papier. Tron legte die Bögen und die Blätter auf den
Schreibtisch. Dann faltete er die Blätter vorsichtig
auseinander und sah, dass sie mit sauber geschriebenen lateinischen
Wörtern bedeckt waren.
    Es dauerte dann noch
einen Augenblick, bis Tron begriffen hatte, was da vor ihm auf dem
Schreibtisch lag: das Original der Aufzeichnungen, die Zanetto Tron
zu Beginn des 13. Jahrhunderts verfasst hatte: drei recto et
verso beschriebene Bögen aus
gesprenkeltem Pergament, nicht größer als zwei
Handflächen, in der Mitte gefaltet. Das Pergament, das sich
glatt und fest anfühlte, roch muffig, seltsamerweise
verströmte es zugleich einen leichten Ambraduft. Als Tron die
erste Seite vorsichtig auseinanderbog, knisterte der Bogen leise.
Zanetto Trons Handschrift, eine nach rechts geneigte Bastarda, war überraschend
gut lesbar. Dass es sich um Aufzeichnungen handelte, die an Ort und
Stelle, an Bord der Galleante entstanden waren, kam Tron
unwahrscheinlich vor. Zanetto Tron würde auf der Reise kaum
Tinte benutzt haben, er hatte seine Aufzeichnungen wahrscheinlich
mit einem praktischen Silberstift angefertigt und das, was hier auf
dem Tisch lag, war später in Venedig niedergeschrieben worden.
Aber egal - hier handelte es sich in jedem Fall um die originalen
Aufzeichnungen Zanetto Trons.
    Es war ein
eigenartiges Gefühl, diese Blätter in Händen zu
halten, die vor mehr als einem halben Jahrtausend auch die
Hände seines erlauchten Vorfahren berührt hatten.
Aber war Zanetto Tron wirklich sein erlauchter Vorfahre, wie ihn Spaur
spöttisch bezeichnet hatte? Was war mit Zanetto Tron
geschehen, nachdem er nach Venedig zurückgekehrt war? Wann
hatte er sich in ein Kloster begeben? Erst am Ende seines Lebens?
Sodass er vorher - rein theoretisch - noch die Gelegenheit gehabt
hatte, eine Familie zu gründen? Und wer war er eigentlich? Alvise
Tron, der Commissario von San Marco? War er womöglich ein
Nachfahre des Brüderchens ?
Des kleinen Schleimers, den man sich nur vorstellen konnte, wie er
sich mit verkniffenem Gesicht über Zahlenkolonnen beugte?
Merkwürdig, dachte Tron, dass er nie auf den Gedanken gekommen
war, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Das Familienarchiv der
Trons war bei einem Brand Anfang des 14. Jahrhunderts zerstört
worden, aber es gab immer noch das Libro d’Oro, das goldene Buch, in
dem alle Familien des venezianischen Patriziats genau erfasst
worden waren. Und ein Exemplar befand sich in der
Marciana.
    Die Stimme Bossis riss
ihn aus seinen Betrachtungen. «Ist das die Fortsetzung,
Commissario?»
    «Jedenfalls
scheinen es die originalen Aufzeichnungen Zanetto Trons zu
sein», sagte Tron.
    «Und diese
Kanzleibögen?»
    Tron legte die
Pergamentblätter zur Seite und inspizierte den ersten der drei
Bögen. Es war nicht die Handschrift Flytes, das sah er sofort.
Aber er sah auch, dass es sich um die Fortsetzung des Tagebuchs
handelte.
    «Das ist nicht
Flytes Handschrift», sagte Bossi, der sich über die
Tischplatte gebeugt hatte.
    «Allerdings
nicht», sagte Tron. «Vermutlich ist es die

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