Die letzte Lagune
würde. Aber er tat es
nicht, sondern fügte nur hinzu: «Dr. Flyte
erwähnte, dass Sie ihn bereits gestern Nacht ausgiebig
verhört haben.»
«Allerdings», sagte
Tron. «Aber wir sind immer noch dabei, den Ablauf der Tat zu
rekonstruieren, und deshalb bin ich hier.»
«Dr. Flyte hat
uns gesagt, jemand hätte Mr. Marchmain in den Abstellraum
der cantina im ersten Stock bestellt und ihn
dann erschossen», sagte Lime.
«Das ist
korrekt.»
«Gibt es bereits
Verdächtige?»
Tron schüttelte
den Kopf. «Nur eine Liste von Personen, die gestern Abend auf
der Premiere gewesen sind und vom Tod Marchmains profitieren
würden.» Er sah Lime in die Augen. «Dr. Flyte hat
angedeutet, dass es Unklarheiten in Ihren Abrechnungen gegeben hat
und für Montag ein Gespräch angesetzt war, das für
Sie hätte unangenehm werden können.»
Lime lächelte
säuerlich. «Ich glaube nicht, dass dieses Gespräch
für mich unangenehm geworden wäre.»
«Er hat mir
geraten, mit Mr. Peggotty zu reden.»
«Reden Sie mit
ihm. Aber glauben Sie ihm nicht alles. Was hat Flyte Ihnen noch
erzählt?»
«Er hat sich
gewundert, dass Sie beide das Fenice während des dritten
Aufzugs verlassen haben», sagte Tron. Dann wandte er sich
direkt an Holly Parker. «Sie haben Mr. Marchmains Loge kurz
nach der Pause betreten und sind nach wenigen Worten wieder
gegangen. Offenbar ging es um etwas Wichtiges. Sonst hätten
Sie Mr. Marchmain nicht während der Vorstellung
aufgesucht.»
«Ich wollte ihm
lediglich mitteilen, dass wir bald gehen würden», sagte
Holly Parker. «Wir wollten gemeinsam zum Palazzo Zafon
laufen.»
«Und warum
wollten Sie gehen?»
«Weil mir
schlecht war.»
«Ist das alles,
was Sie besprochen haben?»
«Was sollte ich
sonst noch besprochen haben?»
«Ich weiß
es nicht. Ich weiß nur, dass Mr. Marchmain zu Beginn des
dritten Aufzugs in die Kantine im ersten Stock gelockt wurde. Und
dass ihn jemand dort erschossen hat», sagte Tron. «Mit
einer Derringer. Einer Waffe, wie Frauen sie gerne benutzen.»
Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte auf Holly Parker
zu beobachten. Die hatte die Augen geschlossen und die Lippen
zusammengekniffen. Lime, der neben ihren Stuhl getreten war,
starrte Tron an, sagte aber nichts.
«Miss Parker,
wir ermitteln hier in einem Mordfall», fuhr Tron fort.
«Wir müssen wissen, was Sie kurz vor Mr. Marchmains Tod
mit ihm besprochen haben.»
Er machte einen
weiteren Schritt auf den Stuhl zu, auf dem Holly Parker saß.
Jetzt stand er so dicht vor ihr, dass seine Knie sie fast
berührten. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, weil sie ihren
Kopf gesenkt hatte. Aber Tron konnte die Hände sehen, die sie
in ihren Schoß gelegt hatte. Die rechte Hand hielt die linke
so fest umklammert, dass die Knöchel weiß
hervortraten.
«Miss Parker,
wir müssen die Wahrheit wissen», sagte Tron ruhig, indem
er jedes einzelne Wort betonte. Dann fügte er schnell und mit
erhobener Stimme hinzu: «Worüber haben Sie mit Mr.
Marchmain in seiner Loge gesprochen?»
Holly Parker schwieg.
Stille trat ein. Schließlich sprang Holly Parker so heftig
auf, dass ihr Stuhl nach hinten umkippte. Dann rannte sie zur
Tür, riss sie auf und verschwand im Treppenhaus.
Lime, der von Holly
Parkers Reaktion ebenso überrascht schien wie Tron, rannte ihr
nach kurzem Zögern hinterher. An der Tür drehte er sich
noch einmal um und rief: «Warten Sie,
Commissario.»
Als Lime die sala wieder betrat, schien
ein Teil seiner Wut entweder verraucht zu sein, oder er hatte sich
jetzt besser in der Gewalt. Seine Miene war ruhig, wirkte fast
entspannt. Tron fiel auf, dass das schwarze Samtband an seinem
linken Ärmel fehlte. Neben dem Sarg blieb Lime stehen und
blickte Tron an - mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der
gewillt war, reinen Tisch zu machen. Er kam ohne Einleitung zur
Sache. «Holly ist in der Hoffnung», sagte
er.
Tron war so
verblüfft, dass er zunächst dachte, er hätte sich
verhört. «Wie bitte?»
«Sie ist
schwanger», erklärte Lime. «Mr. Marchmain hat es
Sonnabendvormittag durch einen dummen Zufall erfahren. Holly und er
hatten deswegen eine Unterredung.»
«Wie hat
Marchmain reagiert?»
«Er hat ihr
einen Arzt in Castello empfohlen.» Lime stieß ein
bitteres Lachen aus. «Die Kosten würde er
übernehmen. Andernfalls müsse sie den Palazzo Zafon
verlassen.»
«Er hat gedroht,
sie auf die Straße zu setzen?»
«So hat Holly
ihn verstanden.»
«Was hat Miss
Parker ihm geantwortet?»
«Dass sie nicht
im Traum
Weitere Kostenlose Bücher