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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Aufrichtung des vatikanischen
Obelisken hatte denken müssen. Kurz entschlossen trat er ein,
streifte seine Hauskleidung ab und ließ sich langsam in das
warme Wasser gleiten. Ahhh! Was für ein Luxus! Und -dachte
Tron unwillkürlich - was für ein obszöner Luxus in einer
Situation, in der es Massen von Menschen gab, die sich das
tägliche Brennholz nicht mehr leisten konnten, weil die Preise
explodiert waren.
    Als Tron den Salon
betrat, lag die Principessa auf ihrer Recamiere. Auf dem
Schoß hatte sie einen Stoß Geschäftspapiere, in
denen sie mit ihrem gefürchteten Rotstift Zahlen korrigierte.
Ihr Laune schien, wahrscheinlich aufgrund ihrer Lektüre,
leicht getrübt zu sein. Auf dem kleinen Tischchen zwischen
seinem Sessel und der Recamiere der Principessa stand eine Schale
frischer Erdbeeren und daneben eine Schale mit Sahne. Genau das,
was er jetzt brauchte.
    «Danke»,
sagte Tron. Er küsste die Principessa sanft auf den Scheitel.
Dann nahm er auf der anderen Seite des flachen Tisches Platz und
griff nach dem Löffel.
    «Wie war
es?», erkundigte sich die Principessa.
    Im ersten Moment
dachte Tron, dass die Principessa wissen wollte, was sein Besuch
bei Holly Parker und Lime ergeben hatte, aber dann wurde ihm klar,
dass sie sich nach dem Essen im Palazzo Tron und damit nach der
neuen Köchin erkundigt hatte.
    «Es gab
Lammfilet mit Kräuterkruste und Balsamico», sagte er.
«Und vorab eine leckere Fischsuppe. Das Lamm war ein Gedicht.
So zart wie ...» Er schürzte die Lippen und machte eine
unbestimmte Handbewegung, so als würden ihm die Worte fehlen,
um die Zartheit des Filets zu beschreiben. «Ich glaube,
diesmal können wir zufrieden sein.»
    In Wahrheit war das
Lamm zäh wie Leder gewesen, der angebliche Balsamico mit Pfeffer und
Öl verrührter Haushaltsessig, und die Fischsuppe kannte
Tron bereits. Die lang anhaltende Frostperiode hatte dazu
geführt, dass die Contessa die Köchin angewiesen hatte,
von allen Gerichten größere Mengen zu kochen und auf dem
Balkon vor dem Ballsaal zum Einfrieren zu deponieren. Das hatte die
Folge, dass im Palazzo Tron wochenlang die gleichen Gerichte
serviert wurden, die jedes Mal ein wenig schlechter schmeckten.
Speziell von der Fischsuppe hatte die Contessa größere
Mengen produzieren lassen. Tron hatte Gelegenheit gehabt, die Suppe
in ihrem Rohzustand zu sehen: ein bräunlich gelblicher
Eisblock von der Größe eines Reisekoffers, aus dem die
Köchin jeweils einen ziegelsteingroßen Brocken
heraussägte und in dem großen, eisernen Ofen in der
Küche zum Schmelzen brachte.
    «Dann kann man
nur hoffen», sagte die Principessa, «dass diese Frau
nicht gleich wieder kündigt.»
    «Holly Parker
ist in der Hoffnung», sagte Tron, dem bei dem Wort hoffen sein Besuch im Palazzo
Zafon einfiel.
    «Wie
bitte?» Die Principessa runzelte die Stirn. Dann sah sie von
ihren Papieren auf, in die sie wieder eine Korrektur gekritzelt
hatte. Offenbar hatte jemand eine ganze Serie von Fehlern
begangen.
    «Holly Parker
ist schwanger», sagte Tron. «Sie hat ein Brötchen
im Ofen.»
    «Ich weiß,
was schwanger bedeutet», sagte die Principessa, wobei sie
einen missbilligenden Blick auf Tron warf, so als wäre er
selber für die Schwangerschaft Holly Parkers verantwortlich.
«Du brauchst nicht gleich vulgär zu
werden.»
    Na bitte. Madame hatte
schlechte Laune. Madame angelte nach ihrem Zigarettenetui,
zündete sich eine Maria Mancini an und blies einen
Rauchring über den Tisch. Der Ring trieb drohend auf Tron zu,
und er wich auf seinem Sessel zurück.
    Vor zwanzig Jahren,
dachte er, bevor der Krimkrieg die Zigarette populär gemacht
hatte, hätte die Principessa wahrscheinlich Zigarren geraucht.
Er erinnerte sich dunkel an eine Karikatur, die George Sand im
Frack und mit einer Zigarre im Mund zeigte. Oder täuschte er
sich? Hatte George Sand einen Gehrock getragen und eine Zigarette
in der Hand gehabt? Er unterdrückte den Impuls, die
Principessa zu fragen.
    Ihre Antworten auf
solche Fragen hatten sehr häufig den Nebeneffekt, ihn
provinziell erscheinen zu lassen - als trotteligen Bewohner der
Kleinstadt Venedig. Die Principessa, die in ihren Pariser Jahren
mit Gott und der Welt bekannt geworden war, antwortete dann
womöglich: Ach, du meinst George? Als ich
sie zum letzten Mal zusammen mit Frédéric gesehen
habe, hat sie Zigaretten geraucht.
    Nein - eine solche
Frage würde er sich verkneifen. Stattdessen sagte er, bereits
halb gekränkt über die mögliche Antwort auf eine
Frage,

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