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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Nachmittag im Palazzo Zafon gewesen? Hatte Mr. Marchmain
Besuch?»
    «Signor Flyte
ist noch gekommen. Er hat mit Mr. Marchmain im Salon
geredet.»
    «Ist er lange
geblieben?»
    «Höchstens
eine halbe Stunde. Er war anschließend noch kurz bei Miss
Parker. Ich habe ihn gesehen, als er aus ihrem Zimmer
kam.»
    «Wann haben Sie
festgestellt, dass die Derringer verschwunden
war?»
    «Als alle im
Fenice waren und ich den Staub in den Schubladen gewischt
habe», sagte Signorina Bianchi.
    Sie hatte begonnen,
mit dem nassgeleckten Zeigefinger ihrer rechten Hand die
übriggebliebenen Kuchenkrümel von ihrem Teller in den
Mund zu befördern. Tron war fasziniert. «Fällt
Ihnen sonst noch etwas ein, das vielleicht wichtig sein
könnte?», fragte er, nachdem er sie einen Moment
beobachtet hatte.
    «Nein, ich
glaube nicht.»
    «Dann danke ich
Ihnen für Ihren Besuch, Signorina», sagte
Tron.
    Signorina Bianchi
erhob sich, und Tron stand ebenfalls auf. Er nahm ihren Mantel vom
Garderobenständer und half ihr hinein. «Ispettore Bossi
wird Sie nach unten begleiten.»
    «Danke. Ahmm
...»
    «Ja,
Signorina?»
    «Werden Sie Miss
Parker jetzt verhaften?»
    Tron lächelte.
«Ich werde ihr auf jeden Fall noch ein paar Fragen
stellen.»

36
    Marchmain trug einen
Frack, und die fromm gefalteten Hände ruhten auf seiner
weißen Hemdbrust. Sein linkes Auge wurde von einer schwarzen
Augenklappe verdeckt, während sein rechtes - wie in dieser
speziellen Situation üblich - geschlossen war. Den Einschuss
an seiner linken Schläfe hatte man durch eine Haarsträhne
kunstvoll kaschiert. Sein Gesichtsausdruck war friedlich. Wie so
viele Ermordete, die Tron später im Sarg wiedergesehen hatte,
machte auch der tote Marchmain einen beinahe heiteren Eindruck.
Allenfalls die schwarze Augenklappe gab ihm einen Einschlag ins
Verwegene.
    Es roch wieder nach
Petroleum und Weihrauch in der sala des Palazzo Zafon, nur dass sich
jetzt ein leichter Fuselgeruch dazugesellt hatte. Sein Ursprung war
eine schwarzgekleidete Frau, die auf einem Stuhl am Kopfende des
Sarges saß. Ihr schräg auf die Brust herabgesunkener
Kopf war bei Trons Eintritt nach oben geschnellt und kam jetzt
leise wackelnd zur Ruhe. Nachdem sie sich durch einen kurzen Blick
davon überzeugt hatte, dass der Besucher wohl kaum die hohen,
silbernen Kerzenleuchter stehlen würde, die zu beiden Seiten
des Sarges aufgestellt waren, schloss sie die Augen und ließ
ihren Kopf wieder nach unten sacken.
    Tron war im
Treppenhaus des Palazzo Zafon niemandem begegnet, doch als er sich
über das Kondolenzbuch beugte, sah er, dass es darin
mindestens zwei Dutzend Eintragungen gab. Er setzte seinen Namen
ebenfalls darunter - Alvise Tron, San
Stae. Dann
wandte er sich an die schwarzgekleidete, jetzt leicht schnarchende
Frau und fragte nach Signorina Parker.
    Zuerst dachte Tron,
die Frau hätte ihn nicht verstanden, doch dann sagte sie
etwas, das sich wie inerbilotek anhörte, und wies
mit dem Kopf zu der Tür an der linken Wand der sala. Aha - offenbar
führte diese Tür (durch die sich Holly Parker zweimal
geflüchtet hatte) zur Bibliothek des Palazzo Zafon. Tron
klopfte, hörte kurz darauf eine Stimme, die Herein! rief, und trat
ein.
    Auch in der Bibliothek
waren die Vorhänge zum Canalazzo geschlossen, und das Licht
kam von zwei Petroleumlampen. Eine stand auf dem Kaminsims neben
der Photographie eines schnurrbärtigen Mannes mit einem
Tropenhelm, die andere auf einem Bibliothekstisch. Holly Parker
hatte sich vom Tisch erhoben und gab Tron die Hand. Das dunkle
Kleid, das sie trug, sah ausgesprochen inoffiziell aus. Offenbar
rechnete sie nicht mit Kondolenzbesuchen.
    «Ich habe noch
ein paar Fragen an Sie, Signorina Parker», sagte Tron.
«Wir konnten unser letztes Gespräch leider nicht zu Ende
führen.» Er lächelte, um ihr zu zeigen, dass er
Verständnis für ihre Situation hatte.
    «Und was wollten
Sie mich noch fragen, Commissario?»
    Was du in der
Premierennacht mit deiner Derringer angestellt hast, dachte Tron. Aber das frage ich
dich erst, wenn ich die Waffe aus der Wäschekommode gefischt
habe. «Eigentlich nur»,
sagte er, «ob Sie am Sonnabend auf direktem Weg nach Hause
gegangen sind.»
    «Das hat Ihnen
doch Mr. Lime bereits gesagt.»
    Tron nickte
freundlich. «Aber ich würde es gerne noch einmal von
Ihnen hören.»
    Holly Parker
ließ sich einen Moment Zeit, bevor sie antwortete. «Ja,
wir sind auf direktem Weg zum Palazzo Zafon gelaufen», sagte
sie schließlich. «Mir war schlecht, und ich

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