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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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eben bestellt hatte. Er hatte bereits am Tresen
einen Schluck genommen und den Champagner anschließend
gelobt. Knarz musste lächeln, als er an die Quelle dachte, aus
der er den Cliquot bezog. Sein Cliquot hatte einen Beigeschmack
nach Keller, aber bisher hatte sich niemand beschwert. Knarz bezog
seinen Cliquot von einem Weingut in der Nähe von Vicenza, das
die Flaschen auch mit den entsprechenden Etiketten versah. Der
Gewinn, den Knarz mit jedem Glas machte, konnte sich sehen lassen.
Aber es war leider der einzige Gewinn, den er momentan
machte.
    Als er die Kantine im
ersten Stock des Fenice gepachtet hatte, schien sie ihm ein
todsicheres Geschäft zu sein. Aber bereits einen Monat nach
Abschluss des Vertrags stellte sich heraus, dass es eine Relation
zwischen den - gut dokumentierten - Besucherzahlen und dem zu
erwartenden Umsatz nicht gab. Ein gutes Viertel der Besucher waren
arme Offiziere aus den unzähligen Kasernen des Veneto. Sie
reisten mit Militärfahrkarten nach Venedig und logierten per
Unterbringungsschein in der Stadt. Und zogen es in der Regel vor,
sich bereits auf dem Weg zum Fenice in einer billigen cantina einen Spitz
anzutrinken, um in den Pausen höchstens ein Glas Bier zu
bestellen. Wobei der Bierverkauf ihm kaum etwas einbrachte. Er war
inzwischen seit drei Monaten mit der Pacht im Rückstand, und
der Direktor des Fenice, ein arroganter Conte Albrizzi, hatte ihm
eine Frist von vierzehn Tagen gesetzt. Die Frist lief
übermorgen ab.
    Knarz langte
ächzend unter den Tresen und zog eine Flasche hervor -
Petersburger Wodka, der bekanntlich keine Fahne hinterließ.
Doch als er sich ein Glas einschenken wollte - er war noch nicht so
weit, dass er direkt aus der Flasche trank -, stellte er fest, dass
sie leer war. Ein wenig beängstigend fand er, dass die Flasche
am Nachmittag noch voll gewesen war. Allerdings galt auch, dass ein
Mann, dem das Wasser bis zum Hals stand, das Recht auf ein wenig
Entspannung hatte. Jedenfalls musste er sich jetzt in den
Vorratsraum begeben, wo er ein kleines Wodka-Depot angelegt hatte.
Das war ein wenig unangenehm, ließ sich aber nicht
vermeiden.
    Knarz verließ
den schmalen Gang hinter dem Tresen und öffnete die Tür
zum Vorratsraum. Er zog ein paar Streichhölzer aus der Tasche
und entzündete die Petroleumlampe, die auf einem Regal stand.
Als er einen Schritt in den Raum hinein machte, sah er, dass auf
dem Boden, fast direkt vor ihm, etwas Weißes in der
Dunkelheit schimmerte. Knarz drehte den Docht seiner Petroleumlampe
ein wenig nach oben. Dann ging er in die Knie und hätte die
Lampe vor Schreck fast fallen gelassen.
    Der Mann, der auf dem
Rücken lag, trug ein weißes Frackhemd, und er war
eindeutig tot. Die schwarze baùta vor seinen Augen war
ein wenig verrutscht, aber nicht so weit, dass sie die linke
Augenhöhle verdeckt hätte, in der es kein Auge mehr gab,
sondern nur noch ein blutiges Loch. Irgendjemand hatte dem Mann aus
kürzester Entfernung ins linke Auge geschossen.
    Es war nicht der erste
Tote, den Vittorio Knarz zu Gesicht bekam. Bei Solferino hatte
seine Feldküche ein paar Tage lang als Lazarett dienen
müssen - eine Episode seines Leben, an die er sich nur ungern
erinnerte. Damals, im Krieg mit Piemont, war der Anblick von Toten
fast zur Normalität geworden. Doch hier, in einem Vorratsraum
der Kantine des Teatro Fenice, auf einen Toten zu stoßen
hatte etwas Beängstigendes. Vermutlich, dachte Vittorio Knarz
ein paar Tage später, würde er sofort die Polizei geholt
und sich viel Ärger erspart haben, wenn er die goldene Kette
auf der Frackweste des Toten übersehen hätte. Aber in dem
Moment, als er sich wieder aufrichten wollte, sah er sie. Ohne viel
nachzudenken, stellte er die Petroleumlampe neben den Toten, drehte
den Docht ein weiteres Stück nach oben und rutschte, immer
noch auf den Knien, in eine bequeme Position.
    Die Uhrkette des Toten
war aus relativ dicken Gliedern gefertigt worden, und als Knarz
vorsichtig daran zog, kam eine Uhr zum Vorschein, wie er noch nie
eine gesehen hatte. Ihre Zeiger waren mit winzigen Brillanten
besetzt, und auch das Zifferblatt war umrandet von einem Kranz aus
Brillanten. Knarz hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass
die Uhr ein Vermögen wert war. Es war eine instinktive
Bewegung, mit der seine Hand die Uhrkette von der Weste des Mannes
löste und die Uhr in seiner eigenen Westentasche verstaute.
Die Bewegung, mit der er die Innentasche des Fracks durchsuchte,
war ebenso instinktiv. Er fand ein

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