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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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goldenes Federmesser, das er
vorsorglich in Obhut nahm, dann eine Brieftasche, gefüllt mit
Banknoten aller möglichen Währungen, sie in Lire zu
tauschen würde kein Problem sein.
    Als er sich wieder
aufrichtete, sah er den Mann. Er stand in kaum zwei Schritten
Entfernung vor einem Flaschenregal, und es war völlig
unverständlich, wie er ihn übersehen haben konnte. Der
Eindringling trug eine schwarze baùta, eine Halbmaske, wie
man sie zur Karnevalszeit in Venedig an jeder Ecke kaufen konnte.
Auf dem Kopf trug er einen albernen Schwanenhelm. Weniger albern
allerdings war die doppelläufige Derringer in seiner rechten
Hand, deren Läufe auf Knarz’ Brust zielten. Erst legte
der Mann den Zeigefinger seiner linken Hand an seine Lippen, dann
tippte er sich mit dem Finger auf die Brust und wies
anschließend auf die Tür. Die pantomimische Botschaft
war unmissverständlich. Der Mann mit der Halbmaske würde
sich jetzt entfernen, und es wäre besser für beide
Beteiligten, wenn er, Knarz, über das, was er gesehen hatte,
schwieg. Knarz nickte - zur Sicherheit mehrmals hintereinander.
Dann sah er, wie der Mann mit dem Schwanenhelm zur Tür ging,
ins Foyer glitt und die Tür von außen ins Schloss fallen
ließ.
    Als Knarz ein paar
Minuten später wieder aufstand - mehrere Versuche, sich zu
erheben, waren gescheitert, weil sich seine Knie wie Gummi
angefühlt hatten -, schwankte er ein wenig. Und da seine
Nerven immer noch bis zum Zerreißen gespannt waren, war es
nicht nur vernünftig, sondern sogar medizinisch geboten, sich
mit einem Schluck aus der Wodkaflasche Erleichterung zu
verschaffen. Knarz griff nach der Flasche, nahm einen tiefen Zug
und setzte sich wieder hin. Merkwürdig, dachte er, wie
friedlich alles auf einmal wirkte. Lag es an dem Wodka, der jedes
Mal ein wohliges Gefühl in seinem Magen bewirkte? Oder war es
die neue Uhr in seiner Weste und die Brieftasche mit den vielen
Scheinen? Merkwürdig auch, dachte er weiter, wie klar und
präzise sein Verstand jetzt wieder arbeitete. Er griff sich in
die Tasche und presste die Geldbörse des Toten so fest
zusammen, dass ihm die Finger wehtaten. Nein - dies hier war kein
Traum. Der Mann mit dem Schwanenhelm und der baùta hatte sein Opfer
hierhergelockt und vermutlich ohne langes Gerede aus dem Hinterhalt
erschossen. Mit der zierlichen Derringer, die kein lautes
Geräusch verursachte. Jedenfalls hatte er hinter dem Tresen
nichts gehört. Das war gute Arbeit - nur dass der Mann dann
Pech gehabt hatte - oder Pech gehabt hätte, wenn er nicht auf die
unerwartete Kooperationsbereitschaft: seinerseits getroffen
wäre.
    Plötzlich wusste
er, was er zu tun hatte. Er würde gar nichts tun. Er
würde zurück an den Tresen gehen, das Einräumen der
Gläser überwachen und dann das Geld in der Kasse
zählen. Er würde eine Viertelstunde warten und dann eines
seiner drei Mädchen in den Vorratsraum schicken. Am besten
Magdalena, die vor einer Woche einen hysterischen Anfall bekommen
hatte, als sie dort auf eine tote Maus getreten war. Oder war es
eine große Ratte gewesen? Egal. Magdalena würde den
Toten entdecken und schreien wie am Spieß. Er würde ein
zweites Mädchen nach hinten schicken, das ebenfalls einen
Schrei ausstoßen würde. Daraufhin würde er sich
selber in die Vorratskammer begeben, den Toten zur Kenntnis nehmen
und anschließend die Polizei benachrichtigen.
    Knarz strich sein
weißes Frackhemd glatt und zupfte seine Revers gerade. Dann
straffte er sich, setzte ein gleichmütiges Gesicht auf und
lief in den Schankraum zurück. Dort war Martha damit
beschäftigt, Gläser zu polieren. Maria machte sich an den
Abfalleimern zu schaffen, und Magdalena wischte den Tresen. Die
Mädchen beachteten ihn nicht, sie schienen seine kurze
Abwesenheit gar nicht bemerkt zu haben. Das war gut so, denn es
erleichterte das Gespräch mit dem zuständigen
Commissario, das er bald führen
würde.    
    Bis auf zwei Leutnants
der Kroatischen Jäger und zwei Damen in grünlichen
Krinolinen war das Foyer menschenleer. Knarz hielt es für
klüger, noch ein wenig zu warten. Wenn die Not am
größten ist, dachte er, ist Gottes Hilfe am
nächsten. Das war der Lieblingsspruch seiner verstorbenen
Mutter gewesen, und er hatte ihn immer für leeres Gerede
gehalten. Jetzt musste er zugeben, dass er sich gewaltig
getäuscht hatte. Allein der Verkauf der Uhr würde ihm ein
kleines Vermögen einbringen. Natürlich würde er sie
nicht in Venedig verkaufen. In Padua kannte er jemanden, der

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