Die letzte Lagune
die
Angelegenheit diskret und schnell für ihn abwickeln
konnte.
Ein paar Minuten
später schloss Vittorio Knarz kurz die Augen, um zu horchen.
Das Brautlied klang jetzt leise durch das Foyer: Wonne des Herzens
sei Euch gewonnen. Das war hübsch und irgendwie
passend. Er schätzte, dass er den Vorratsraum vor einer
Viertelstunde verlassen hatte. Es wurde Zeit, zur Tat zu schreiten.
«Magdalena?»
Das Mädchen
unterbrach ihre Arbeit und sah ihn an. «Ja, Signor
Knarz?»
«Ich vermisse
meinen Kneifer», sagte er gleichmütig. «Vielleicht
liegt er auf dem Fußboden des Magazins. Würdest du
nachsehen? Und nimm die Lampe mit.» Er sah ihr nach, wie sie
durch die Tür hinter dem Tresen verschwand.
Eine knappe Minute
später hatte sie entdeckt, was sie entdecken sollte. Ihr
Schrei war lauter und anhaltender, als er erwartet hatte, es
handelte sich eher um eine Serie von schrillen Schreien. Martha und
Maria unterbrachen ihre Arbeit und blickten ihn irritiert
an.
«Vermutlich eine
Maus», sagte Knarz nachsichtig lächelnd. Und an Maria
gewandt, die immer noch das Gläsertuch in der Hand hielt:
«Geh nach hinten und nimm die Kehrschaufel
mit.»
Maria verschwand, und
diesmal dauerte es nur ein paar Sekunden, bis ein weiterer Schrei
aus der Vorratskammer zu hören war. Die beiden Leutnants der
Kroatischen Jäger hatten sich jetzt umgedreht und blickten
neugierig herüber. Knarz zuckte die Achseln. Dann machte er
sich höchstpersönlich auf den Weg, um nach dem Rechten zu
sehen.
29
Als Tron das Foyer
betrat, sah er, dass die Gasbeleuchtung, die normalerweise in den
Pausen gedämpft wurde, hochgedreht war, sodass Dutzende
Kandelaber den Raum in ein unnatürlich helles Licht tauchten.
Alles in dieser Beleuchtung sah grell, künstlich und leicht
entflammbar aus. Vor der Theke im Foyer hatten sich zwei Sergenti
postiert, um Neugierige fernzuhalten. Einer von ihnen war Sergente
Caruso vom Sestiere San Marco, den anderen kannte Tron nicht. Doch
es gab nichts zu sehen außer einem polierten Tresen und drei
jungen Frauen und einem Mann dahinter. Eine der Frauen schluchzte
hemmungslos und wurde von der anderen getröstet. Alle hatten
weiße Servierschürzen umgebunden, der massige Signore,
der nervös an seiner Unterlippe kaute, trug einen
Frack.
«Was sind das
für Leute?», fragte Tron Bossi, als sie sich dem Tresen
näherten.
«Drei
Serviererinnen und Vittorio Knarz, der Pächter»,
antwortete Bossi. «Eine der Frauen hat den Toten
gefunden.»
«Und wo ist der
Tote?»
«Im Vorratsraum
der Cantina», sagte Bossi.
«Die Tür hinter dem Tresen», setzte er
erklärend hinzu. «Es gibt in diesem Vorratsraum noch
eine zweite Tür, die direkt ins Foyer führt. Das ist die
Tür, die der Mörder und das Opfer benutzt haben, denn
hier am Tresen hat niemand etwas mitbekommen. Jedenfalls nicht,
bevor eines der Mädchen die Leiche entdeckt
hat.»
«Haben Sie
jemanden zu Dr. Lionardo geschickt?»
Bossi nickte.
«Einen der beiden Sergenti, die im unteren Foyer
waren.»
Obwohl die Vorstellung
noch lange nicht zu Ende war, standen ein paar Offiziere im
Foyer des ersten Stockes und schielten zur Theke herüber.
Wahrscheinlich, dachte Tron, interessierten sie sich weniger
für die Frage, aus welchen Gründen zwei Sergenti den
Tresen bewachten, als dafür, wann es wieder Getränke
geben würde. Spaur war noch nicht in Sicht, und Tron hoffte,
dass er auch nicht so schnell auftauchen würde. Das Letzte,
was er hier brauchen konnte, war ein Polizeipräsident, der die
Ermittlungen behinderte, indem er sich in alles
einmischte.
Das Magazin der Cantina, schätzte Tron,
maß drei mal vier Meter. Es gab zwei gegenüberliegende
Türen, von denen eine direkt ins Foyer führte.
Hölzerne Regale, auf denen die Spirituosenvorräte
gelagert wurden, standen an beiden Längswänden. Das Licht
kam von einer an der Decke hängenden Petroleumlampe und zwei
zusätzlichen Lampen, die Bossi auf den Boden gestellt hatte.
Ein leichter Korditgeruch lag in der Luft und gab einen ersten
Hinweis darauf, wie der Mann, der vor ihm auf dem Boden lag, zu
Tode gekommen war.
Der Tote trug einen
Frack, dazu eine Frackweste aus weißem Pikeestoff und ein
weißes Frackhemd. Er lag mit leicht gespreizten Beinen auf
dem Rücken, sein rechter Arm war angewinkelt. Ein Papphelm mit
zwei kleinen Schwanenflügeln saß trotz des Sturzes
korrekt auf seinem Platz. Der Kopf hatte sich nach links geneigt,
und zwischen den leicht geöffneten Lippen blitzten ein paar
Zähne.
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