Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
wahr sind.»
    «Und worum geht
es?»
    «Um etwas, das
sich vor ungefähr zehn Jahren zwischen Mr. Marchmain und Holly
Parker abgespielt hat.»    
    «Holly Parker
ist jetzt achtzehn. Vor zehn Jahren war sie acht.»
    Mr. Peggotty nickte.
«Genau darum geht es.» Er schwieg einen Moment.
«Sind Sie über die Familienverhältnisse von Mr.
Marchmain informiert?»
    «Eher
flüchtig.»
    «Dann sollte ich
Sie kurz ins Bild setzen. Marchmains Bruder, Melrose Marchmain, kam
zusammen mit seiner Frau bei einem Bootsunfall vor der Isle of
Wight ums Leben. Ihr Sohn Sebastian ging bereits auf die
Universität. Mr. Marchmain nahm das kleine Mädchen, das
damals bei der Familie lebte, zu sich in sein Londoner Haus. Dieses
Mädchen war ein Waisenkind und eine entfernte Verwandte von
Sebastians Mutter.»
    «Sie reden von
Holly Parker?»
    «Ich rede von
Holly Parker», bestätigte Mr. Peggotty.
    «Mein Gott, das
ist ja wie bei Dickens», sagte Tron.
    «Richtig,
Commissario», sagte Mr. Peggotty. «Nell Trent. Nur dass
dieser Roman hier so unappetitlich ist, dass ihn Dickens nie
geschrieben
hätte.»      
    «Unappetitlich?
    «Mr.
Marchmain», sagte Mr. Peggotty langsam, «ist ein frommer Mann und ein
glühender Anhänger des Papstes. Aber seine
Frömmigkeit ist nie mit seinen persönlichen Neigungen
kollidiert.» Er hielt inne und sah Tron aufmerksam an.
«Ist Ihnen etwas an der heiligen Magdalena aufgefallen, die
oben im Salon über dem Kamin hängt? Außer einer
übertriebenen Farbigkeit?»
    Ja, sicher, dachte
Tron. Diese spezielle Maria Magdalena war für seinen Geschmack
etwas zu jugendlich geraten. Und der Blick, mit dem sie den
Betrachter ansah, war eindeutig zu lasziv. Allerdings ließ
sich die Mimik der heiligen Magdalena ebenso gut als Ausdruck
frommer Verzückung deuten. «Das Gemälde hat einen
gewissen Einschlag», sagte er vorsichtig.
    Mr. Peggotty nickte.
«Richtig, Commissario. Und Marchmains Bereitwilligkeit, die
kleine Holly Parker damals zu sich zu nehmen, hatte auch einen
gewissen Einschlag.»
    Auf einmal verstand
Tron, worauf Mr. Peggotty hinauswollte. «Sie meinen
...?»
    Mr. Peggotty nickte.
«Angeblich soll damals Marchmains Haushälterin
eingegriffen und dafür gesorgt haben, dass Holly in ein
Pensionat kam. Holly hatte sich ihr wohl
anvertraut.»
    «Großer
Gott», sagte Tron. «Aber warum kam sie dann zu
Marchmain nach Venedig?»
    «Weil sie
praktisch auf der Straße stand, als sie aus dem Pensionat
kam», sagte Peggotty. Er nahm seine Brille ab und fing an,
sie zu putzen. «Holly war auf die finanziellen Zuwendungen
von Marchmain angewiesen», fuhr er fort. «Und der
wollte, dass sie nach Venedig kommt.»
    «Hat er ihr auch
im Palazzo Zafon nachgestellt?»
    Peggotty
schüttelte den Kopf. «Sie war inzwischen wohl zu alt
für seinen Geschmack. Aber es hat ihm Vergnügen bereitet,
sie ständig zu erniedrigen.»
    «Aus Rache, weil
sie sich in London der Haushälterin anvertraut
hatte?»
    Peggotty setzte seine
Brille wieder auf. Dann dachte er kurz nach.
«Vermutlich», sagte er schließlich.
    «Und was soll
ich aus alledem schließen, Mr. Peggotty? Ich muss hier einen
Mord aufklären.»
    «Wir hatten alle
einen Grund, Marchmain den Tod zu wünschen», sagte Mr.
Peggotty sachlich. «Aber Holly Parker hatte den
besten.»
    « Wir
alle? Hatten Sie ebenfalls einen
Grund?»
    Mr. Peggotty lachte
bitter auf. «Glauben Sie etwa, ich habe freiwillig für
Marchmain gearbeitet?»
    «Weshalb denn
sonst?»
    «Marchmain hat
mich vor zwei Jahren durch ein hinterhältiges Manöver
ruiniert», sagte Peggotty. «Und zwar so gründlich,
dass ich ihm immer noch einen erheblichen Geldbetrag schulde. Ich
hatte damals die Wahl, entweder ins Gefängnis zu gehen oder in
seinem Geschäft zu arbeiten und meine Verbindungen für
ihn spielen zu lassen.»
    «Also hält
sich auch Ihre Trauer über den Tod von Mr. Marchmain in
Grenzen.»
    Peggotty nickte
heftig. «So könnte man es ausdrücken,
Commissario.»

35
    «... denn es
gehört einfach zu meinen Aufgaben, auch mal eine Schublade von
innen sauber zu machen, nicht nur die Kommode von außen
abzuwischen. Ich meine, ich mache ja auch hin und wieder hinter den
Kommoden sauber und unter den Kommoden, da kann es doch nicht sein,
dass Miss Parker mich Knall auf Fall aus dem
Haus wirft, nur weil ich vor einer offenen Schublade gestanden
habe, als sie ins Zimmer kam. Kann ja sein, dass ich gerade die
Finger drin hatte - aber so zu tun, als hätte ich silberne
Löffel gestohlen? Finden

Weitere Kostenlose Bücher