Die letzte Lagune
Derringer?»
Signorina Bianchi
nickte. «So eine kleine Pistole mit zwei Rohren
...»
«Läufen.»
«Mit zwei
Läufen und einem Griff aus Perlmutt. Alles so groß wie
meine Hand. Das wäre doch dann eine Derringer,
oder?»
«So, wie Sie die
Waffe beschreiben - ja.»
«Die war wieder
da. Lag auf der Unterwäsche. Sagte ich das
schon?»
«Ja, das sagten
Sie. Signorina Parker hat also eine Derringer, die sie offenbar in
einer Kommode in ihrem Zimmer aufbewahrte.»
«Auf ihrer
Unterwäsche.»
Tron nickte. Die Art
und Weise, wie Signorina Bianchi das Wort biancheria intima aussprach und ihn
dabei ansah, hatte etwas Verwirrendes. Er lächelte, dann
räusperte er sich nervös. «Und diese Derringer war
am Sonntagvormittag wieder da, woraus ich schließe, dass sie
eine Zeitlang nicht da war, denn sonst hätten Sie
es nicht bemerkenswert gefunden, dass sie wieder da war. Ich meine,
wenn sie immer in dieser Schublade auf der Unterwäsche gelegen
hätte - diese Derringer - und nicht verschwunden gewesen
wäre, um dann auf oder unter der Unterwäsche -
gewissermaßen Knall auf Fall - wiederaufzutauchen, dann
wäre die biancheria intima
...» Tron hatte plötzlich das
Gefühl, dass er Unsinn redete. Er brach den Satz ab und
starrte auf seine Kirschtorte.
«Das habe ich
jetzt nicht verstanden, Commissario», sagte Signorina
Bianchi. Sie sah Tron an und leckte dabei einen Eclair-Krümel
von ihrer Oberlippe.
«Die Derringer
war also wieder in der Schublade, nachdem sie verschwunden gewesen
war.»
«Genau.»
«Wann ist die
Derringer verschwunden, Signorina Biancheria?», erkundigte
sich Tron.
«Bianchi»,
korrigierte ihn Signorina Bianchi. «Sonnabendnacht. Als Mr.
Marchmain, Signorina Parker und Signor Lime ins Fenice
gingen.»
«Sie war dann
Sonntagmittag wieder da?»
Signorina Bianchi
nickte. «Als ich kurz vor zwölf im Zimmer von Signorina
Paker war, um in der Schublade Staub zu wischen, lag die Derringer
wieder auf der Unterwäsche.»
«Und in dem
Moment kam Miss Parker in ihr Zimmer? Als Sie gerade Ihre Finger in
der Unter... äh, Schublade hatten?»
«Ich hatte die
Waffe in der Hand. Es war wohl alles etwas
unglücklich.»
Tron musste
unwillkürlich lächeln. «Kann es sein, dass Sie
diese Schublade ein wenig zu oft von innen
abstauben?»
Signorina Bianchi sah
Tron empört an. «Wie? Meinen Sie, ich bin neugierig? Und
schnüffle in den Schubladen der Herrschaft?»
Tron schüttelte
den Kopf. «Nein, natürlich nicht, Signorina
Bianchi», beschwichtigte
er.
«Jedenfalls», fuhr
Signorina Bianchi fort, «hat mir Miss Parker noch einen
langen Vortrag über Moral gehalten.» Sie stieß ein
empörtes Lachen aus. «Die hat es gerade
nötig.»
«Warum sagen Sie
das?»
Signorina Bianchi
antwortete mit einer Gegenfrage. «Kennen Sie Signor
Lime?»
«Selbstverständlich»,
sagte Tron.
«Und Signor
Flyte?»
«Den
auch.»
Signorina Bianchi
neigte sich über den Schreibtisch und sah Tron vielsagend an.
«Miss Parker kennt beide», sagte sie mit
gedämpfter Stimme. «Und zwar ziemlich gut.»
«Was soll das
heißen?»
«Nicht so, wie
ich Sie kenne, Commissario.»
Darüber musste
Tron lachen. «Wie kennen Sie mich denn?»
«Weder gut noch
ziemlich gut.» Signorina Bianchi legte den Kopf auf die Seite
und lächelte Tron an - ein wenig schmollend, so als würde
sie diesen Umstand bedauern.
Tron, der sich bei dem
Gedanken ertappte, dass er diesen Umstand möglicherweise auch
bedauerte, räusperte sich.
«Wollen Sie
damit andeuten, dass Miss Parker eine enge Beziehung zu beiden Herren
unterhält?»
«Signor Flyte
hat sie jedenfalls besucht, als Signor Lime letzte Woche in Mailand
gewesen ist», berichtete Signorina Bianchi. «Er ist
über Nacht in ihrem Zimmer geblieben. Signor Lime hat sie in
der Woche davor zweimal empfangen.»
«Wusste Mr.
Marchmain eigentlich, was sich da in seinem Haus abgespielt
hat?»
Signorina Bianchi
schüttelte den Kopf. «Das glaube ich nicht. Vielleicht
hätte es ihn auch gar nicht interessiert.»
«Wie war das
Verhältnis von Signorina Parker zu Mr. Marchmain? Gab es
Streit zwischen den beiden?»
Signorina Bianchi
dachte nach, wobei sie sich einen Eclair-Krümel vom
Zeigefinger leckte. «Streit hat es nie gegeben. Das
hätte sich Signorina Parker nicht getraut», sagte sie.
«Aber Mr. Marchmain hat sie gequält, und sie hat ihn
gehasst.»
«Ist am
Sonnabend irgendetwas zwischen den beiden
vorgefallen?»
«Nicht dass ich
wüsste.»
«Wer ist an
diesem
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