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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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könnte -
immerhin hatte sich der Polizeipräsident ein wenig eigenartig
ausgedrückt -, konnte aber keinen entdecken. Signor Maffei
hatte eine Zeitung vom Regal geholt und sie auf Spaurs Schreibtisch
gelegt. Das war alles. «Er hat Ihnen die Zeitung
geholt», sagte Tron.
    «Richtig,
Commissario. Er hat mir die Zeitung geholt», sagte Spaur.
«Aber das Entscheidende haben Sie nicht gesehen. Auf dem
rechten Stapel liegt die Gazetta di Venezia. Auf dem linken Stapel
die Kronenzeitung. Maffei hat mir
die Kronenzeitung gebracht.»
    «Sie meinen, er
...»
    Spaur gab sich keine
Mühe, sein Vergnügen zu verhehlen. «Maffei sollte
das Billett in die dritte Loge, zweiter Rang links bringen. Stattdessen hat er es in
die dritte Loge, zweiter Rang rechts gebracht. Also nicht zu Flyte,
sondern zu Marchmain.»
    «Und
dann?»
    «Hat sich nicht
Flyte, sondern Marchmain in das Kabuff begeben. Wo ihn der
Täter, noch bevor Marchmain die Maske abnehmen konnte,
erschoss.» Der Polizeipräsident warf einen
triumphierenden Blick über den Tisch.
    Tron musste zugeben,
dass Spaurs Version des Tatablaufs schlüssig war.
Scharfsinnige Kombinationen waren allerdings nie Spaurs Stärke
gewesen. Hatte ihn jemand instruiert? Die junge Gattin, eine
ehemalige Soubrette aus dem Malibran-Theater? Tron hatte die
Baronin nie für ein dummes Ding gehalten, ganz im Gegenteil.
Oder hatte Lodron seine Finger im Spiel? Lodron, der eigentlich ein
Interesse daran haben müsste, dass sich der Verdacht auf Flyte
konzentriert? Jedenfalls war es durchaus möglich, dass
Marchmain einer Verwechslung zum Opfer gefallen war. Wobei
allerdings nicht feststellbar war, dachte Tron, mit welcher
Zuverlässigkeit Signor Maffei links und rechts
verwechselte.
    «Dann
könnte derjenige, der am Donnerstag versucht hatte, Flyte zu
töten, es noch einmal versucht haben», sagte
er.
    Spaur nickte.
«Und wieder mit einer Derringer. Eine Derringer ist auch
benutzt worden, um Petrelli zu töten. Haben Sie sich mal die
Frage gestellt, ob es da einen Zusammenhang gibt,
Commissario?»
    Ja, die hatte sich
Tron allerdings gestellt. Plötzlich fiel ihm eine Geschichte
ein, an die er jahrelang nicht mehr gedacht hatte. Tron
schätzte, dass er damals höchstens zehn Jahre alt gewesen
war, vielleicht hatte in diesem Jahr der Wiener Kongress getagt.
Seine Mutter, die Contessa, hatte ihm zu Weihnachten ein Puzzle
geschenkt, ein Überbleibsel aus der französischen
Besatzungszeit. Das Puzzle war ein kunstvoll
auseinandergeschnittener Kupferstich, der Napoleon zu Pferde
zeigte, und Tron hatte sich damals drei Tage lang vergeblich
bemüht, es zusammenzusetzen. Als sich sein Vater
schließlich der Angelegenheit annahm und ebenfalls
scheiterte, stellte sich heraus, dass die Teile deshalb nicht
zusammenpassten, weil sie zu zwei verschiedenen Puzzles
gehörten, die allerdings beide Napoleon zeigten.
    Tron sagte:
«Wenn es um die Tagebücher Zanetto Trons geht, kommen
nur Lodron und Contarini in Frage. Beide waren mit Petrelli
bekannt, und beiden war Flyte im Weg. Aber ich würde keinem
einen Mord Zutrauen. Außerdem morden die Contarinis nicht
selber. Sie lassen morden.»
    «Was wissen Sie
über Contarini?»
    «Er ist
Venezianer. Er lebt in Rom, ist Priester im Rang eines Monsignore
und Assistent des Leiters der Camera Apostólica. Spricht ein
halbes Dutzend Sprachen und ist häufig im Auftrag des Vatikans
unterwegs.»
    «Das ist nicht
besonders viel, Commissario.»
    Tron zuckte die
Achseln. «Ich weiß.»
    «Nun gut. Dann
erzähle ich Ihnen jetzt etwas über
Contarini. Können Sie sich an den Hohenstein-Fall erinnern?
Joseph Maria Fürst von Hohenstein? Sein überraschendes
Ableben in einem Wiener Weinhaus?»
    Tron schüttelte
den Kopf.
    «Wien? Im Winter
1862?»
    Tron schüttelte
abermals den Kopf.
    «Nun, als die
Fürstin von Hohenstein, eine Witwe, im November 1861 starb,
hinterließ sie die eine Hälfte ihres Vermögens der
Kirche, die andere ihrem Sohn. Mit der Bestimmung, dass auch dessen
Erbteil an die Kirche fällt, wenn dieser kinderlos stirbt.
Joseph Maria von Hohenstein hat dieses Testament angefochten, und
es gab einen Prozess.»
    «Ging es um
viel?»
    «Um sehr viel.
Um riesige Ländereien, um ein Stadtpalais in Wien, mehrere
Schlösser und ein halbes Dutzend böhmische
Erzgruben.»
    «Und wie hat Rom
darauf reagiert?»
    «Der Vatikan hat
daraufhin einen Beauftragten nach Wien geschickt.»
    «Contarini?»
    Spaur nickte.
«Contarini ist damals nach Wien gereist, um einen

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