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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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sein.
    «Es geht um den
Mord an Mr. Marchmain, Monsignore», sagte Tron
knapp.
    Der kuriale Titel
schien Contarini misstrauisch zu machen. Er zog die Augenbrauen
zusammen. «Haben Sie ihn verhaftet?»
    «Wen?»
    «Flyte.»
    «Warum
Flyte?»
    Contarini
lächelte müde, so als wollte er sagen: Was soll dieser
Unsinn? «Wir haben ein Dossier über ihn», meinte
er achselzuckend. «Flyte hatte ein sehr gutes Motiv, seinen
Onkel zu töten.»
    «Das mag
sein», stimmte Tron zu. «Aber Marchmain ist aus
Versehen erschossen worden.»
    «Er ist was?» Wenn Contarinis
Überraschung gespielt war, dann war der Monsignore ein
vorzüglicher Schauspieler.
    «Der Mann, der
ihn erschossen hat», sagte Tron, «wollte eigentlich
jemand anderen töten.» Dann fasste er zusammen, was
Spaur ihm vorgetragen hatte: dass der Bote links und rechts
verwechselt hatte und dass deshalb Marchmain statt Flyte sterben
musste.
    Contarini schloss die
Augen und schwieg einen Moment, nachdem Tron geendet hatte.
«Das ist bizarr», sagte er nur.
    Da konnte Tron nur
zustimmen. Er nickte. «Jedenfalls fragen wir uns jetzt, wer
ein Motiv gehabt haben könnte, Flyte zu töten.» Er sah
Contarini an. «Hatte ich richtig verstanden, dass Sie sagten,
die Tagebücher gehörten eigentlich der Kirche? Dass die
Situation sich ändere, wenn Dr. Flyte nicht länger im Weg
sei?»
    Offenbar hielt
Contarini nichts davon, abzustreiten, was alle wussten. «Wir
würden in diesem Fall sofort unsere Ansprüche
anmelden», sagte er.
    «Sie würden
also von Flytes Tod profitieren?»
    Auch das gab Contarini
unumwunden zu. «Selbstverständlich.»
    «Marchmains
Mörder hat übrigens eine Derringer benutzt», sagte
Tron. «Die Waffe, mit der auch Petrelli getötet worden
ist. Und Petrelli wurde von einem Mann erschossen, der ebenfalls
Zanetto Trons Tagebücher wollte.»
    «Wer könnte
das sein?»
    «Vielleicht
jemand, der schon früher einmal eine Derringer benutzt
hat», sagte Tron.
    Er reichte Contarini
die Mappe mit den Zeitungsartikeln, die ihm Spaur gegeben hatte.
Der klappte sie auf und blätterte sie durch, ohne eine Miene
zu verziehen. Dann gab er sie Tron achselzuckend zurück.
«Erwarten Sie, dass ich mich zu diesem Unsinn
äußere, Commissario?»
    Tron schüttelte
den Kopf. «Nein. Aber Sie könnten uns verraten, wo Sie
sich aufgehalten haben, als Petrelli getötet wurde, wo Sie
waren, als der Anschlag auf Flyte verübt wurde, und wann Sie
das Fenice am Abend der Premiere verlassen haben.»
    «Und wenn ich
mich nicht erinnern kann?»
    «Dann
könnte ein übler Verdacht auf ein prominentes Mitglied
der katholischen Kirche fallen», sagte Tron.
«Die Gazetta di Venezia würde über
diesen Fall sicher gern berichten. Aber wenn Ihr Gedächtnis
partout nicht mitspielt, könnten wir die Sache auch anders
regeln.»
    «Und
wie?»
    «Wir stellen die
Ermittlungen ein, und Sie verlassen Venedig. Und sorgen dafür,
dass diese Geschichte mit der ungültigen Scheidung vom Tisch
kommt.»
    Contarini sagte
nichts. Er blickte Tron nur einen Moment lang an. Dass Leute ihn
bisweilen hasserfüllt ansahen, kannte Tron. Aber auf
Contarinis Gesicht spiegelte sich kein Hass, sondern Verachtung.
Contarini sah ihn an wie einen Schmutzfleck, den man gerne
wegwischen würde, aber leider nicht konnte. Dazu passte, dass
er nicht einmal die Stimme hob, als er sagte: «Ist das alles,
Tron?»
    Tron nickte.
«Das ist alles, Contarini.»
    «Dann würde
ich vorschlagen, dass Sie jetzt gehen, Commissario», sagte
Contarini. «Auch weil Sie sich hier auf dem Territorium der
heiligen Kirche befinden.» Mit diesen Worten drehte er sich
auf dem Absatz um und verließ den Raum.

40
    Als Tron am
nächsten Morgen erwachte, dachte er zunächst, er
hätte die Nacht im Palazzo Tron verbracht. Doch als er die
Augen aufschlug, sah er den Guardi an der gegenüberliegenden
Wand, den die Principessa im letzten Monat erworben hatte, und
daneben die Magdalena Raffaels, ein Bild, das aus dem Besitz der
Königin von Neapel stammte. Außerdem war es warm und
roch leicht nach Frangipani - in seinem Zimmer im Palazzo Tron war
es eiskalt und roch nach billiger Holzkohle. Tron tastete mit der
Hand auf die rechte Seite des Bettes und stellte ohne
Überraschung fest, dass die Principessa nicht mehr neben ihm
lag. Er schätzte, dass es inzwischen neun war. Folglich hielt
sich die Principessa seit zwei Stunden im Kontor des Palazzo
Balbi-Valier auf, wo sie Briefe diktierte, Geschäftsberichte
korrigierte, Zahlen überprüfte und ein

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