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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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weint.

26
     
    Dienstagabend steigt O’Hara an der Station 23rd und 8th aus der U-Bahn. Wie schon am Vorabend geht sie nach links, dem Fluss entgegen, bis sie vor dem Stripclub steht, vor dessen Seiteneingang McLain den Türsteher vermöbelt hat. Der Laden heißt Privilege und O’Hara ist sicher, dass es sich um unfreiwillige Ironie handelt. Die einzige Zierde an der Fassade über dem Laden im Erdgeschoss einer längst geschlossenen verlausten Absteige ist ein hochtoupierter Haarschopf auf dem P des Schriftzugs. O’Hara schiebt sich durch ein klassisches Drehkreuz und betritt den schmuddeligen Innenraum, in dem es aussieht wie in der Vorhölle. Ein Raum schließt an den nächsten an – in jedem tanzt ein Mädchen an einer Stange. Ganz hinten befindet sich ein Raum, in dem ausgewählte VIPs das Privileg genießen, sich pantomimisch ficken und um ihr Bargeld erleichtern zu lassen. Für den Fall, dass in ihren Brieftaschen das letzte Licht ausgeht, steht zur Sicherheit ein Bankautomat blinkend in der Ecke – die einzige Verbindung zur Außenwelt. Die Einrichtung ist so kalt wie ein Herzinfarkt, aber immerhin wurden die Heizungen kräftig aufgedreht. Schließlich kann man Mädchen mit Gänsehautnoppen, die dicker als Nippel sind, nicht auf die Bühne schicken. Zum ersten Mal an diesem Tag friert O’Hara nicht mehr. Ein weiterer Höhepunkt ist die Anlage und der DJ weiß genau, was er oder sie tut. Der Klassiker »Criminal« von Fiona Apple hebt gerade an, als O’Hara die Bar erreicht. »I’ve been a bad bad girl«, behauptet Apple. So weit O’Hara weiß, stimmt das auch, aber die kleine blonde Stripperin, die träge über ihrem Kopf mit den Armen wedelt und die entsprechenden Lippenbewegungen dazu macht, ist in dieser Hinsicht sehr viel überzeugender. Als sich Justin Timberlakes »Cry Me a River« in den Raum ergießt, hat O’Hara fast schon vergessen, dass ihre Füße höllisch schmerzen. Sie schlürft ein Neun-Dollar-Bier und sieht sich um. In der Mitte der Bar nähert sich ein grotesk geschwollenes Gesicht einem Strohhalm, der aus einem Heineken ragt. O’Hara geht hin und bekundet ihr Mitgefühl: »Was zum Teufel ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Motorradunfall«, presst der Mann durch seinen gebrochenen Kiefer hervor.
    »Wie bitte?«
    »Motorradunfall«, wiederholt er, wobei ihm der Schmerz in die Augen steigt.
    »Sind Sie frontal in einen Schneepflug gefahren? Ich frage nur, weil es eher so aussieht, als hätte man Sie windelweich geprügelt.« Als die Hackfresse die Ohren zu spitzen beginnt, lässt O’Hara ihre Dienstmarke aufblitzen. »Ich will nur wissen, was der Junge hier wollte.«
    »Fragen Sie Sylvie«, sagt er und versucht mit dem Daumen über seine Schulter zu zeigen, ohne dabei den Hals zu verdrehen. »Das ist die Mutter hier. Und bitte sagen Sie nichts.«
    »Nicht gut für die Karriere?«
    »Nein.«
    O’Hara schiebt sich durch eine Tür mit der Aufschrift NUR FÜR MITARBEITER. Dahinter schart sich ein halbes Dutzend Mädchen um einen Heizofen. In ihrer völlig beiläufigen Nacktheit unterscheiden sie sich von den nackten Tänzerinnen auf der Bühne. Die einzige bekleidete Frau im Raum ist Sylvie – zum Glück, denn sie geht auf die siebzig zu. »Der kleine Zuhälter wollte den Restlohn seiner Freundin ausgezahlt bekommen«, sagt Sylvie. »Ich habe ihm gesagt, wenn sie die Kohle so dringend braucht, soll sie selbst kommen.« O’Hara zieht ein Bild aus der Tasche. »Ja, das ist Holly. Jedenfalls ist das ihr Bühnenname, Holly Gomez. Hat montags gearbeitet.«
    »Ihr richtiger Name war Francesca Pena. Sie wurde vor einer Woche ermordet.«
    »Dachte schon, dass das ermordete Mädchen aus der Zeitung Holly ähnlich sah«, sagt Sylvie. »Kein Wunder, dass die nicht mehr aufgetaucht ist.«
    Einzig Sylvies fortgeschrittenes Alter hält O’Hara davon ab, ihr auf der Stelle eine reinzuhauen. »Macht es Ihnen überhaupt nichts aus, dass eine Ihrer Stripperinnen ermordet wurde? Und so was lässt sich als ›Mutter‹ bezeichnen?«
    »Ich lerne die Mädchen nie richtig kennen«, sagt Sylvie. »Anders kann man den Job hier nicht machen.«
    Als O’Hara geht, betritt die zierliche Latina die Bühne, die ihr schon während des Gesprächs mit Sylvie aufgefallen war. Offenbar hat man bei Privilege nicht lange gebraucht, um einen Ersatz für Pena zu finden. Sie hat dieselben kräftigen Beine, denselben schmalen Oberkörper und dieselben kurzen dunklen Haare. Als sie O’Hara unter den Zuschauern entdeckt,

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