Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
zu Fuß. McLain schlängelt sich durch die dichter werdenden Menschenmassen im Theaterviertel, doch dank seines albernen Anzugs gelingt es O’Hara problemlos, an ihm dranzubleiben. An der Ecke 50th und 8th Avenue folgt sie ihm in die U-Bahn und in einen vollbesetzten Zug: Vier Stationen weiter steigt sie an der 23rd Street hinter ihm aus. McLain beschleunigt sein Schritttempo und geht in westlicher Richtung weiter. Mit langen schlaksigen Schritten lässt er die Straßenzüge rasch hinter sich und innerlich verflucht O’Hara ihre wackligen Absätze. An der 10th Street liegt sie bereits einen ganzen Straßenzug zurück und als sie die isoliert stehenden Garagen und Lagerräume kurz vor der 11th erreicht, ist McLain plötzlich verschwunden.
Auf der anderen Seite der 11th Avenue ist auf dem gut beleuchteten Astroturfplatz ein europäisches Fußballspiel im Gange und dahinter, auf der anderen Seite des West Side Highway, liegt Chelsea Piers. Beides hätte möglicherweise McLains Ziel sein können. O’Hara wägt noch ab, was wohl wahrscheinlicher ist, als der Seiteneingang des Stripclubs auf der anderen Straßenseite aufgetreten wird und McLain von einem riesigen Türsteher im Smoking gestoßen herausfliegt. Er hat so viel Schwung, dass er ein ganzes Stück rückwärts stolpert und in eine Öllache fällt. O’Hara fürchtet, McLain könnte nicht vernünftig genug sein, um die Klappe zu halten, und behält Recht. Er springt auf die Füße, deutet auf seine dreckige Hose und sein zerissenes Jackett, als hätte er beides erst an jenem Morgen bei Bergdorfs gekauft. Egal, was er schreit, es dient dem Türsteher als Vorwand, um wie ein wütender Stier aus der Tür geschossen zu kommen. Instinktiv zieht O’Hara ihre Pistole und ihre Dienstmarke, doch als sie auf die Straße tritt, schneidet ihr ein Lieferwagen aus der Garage hinter ihr den Weg ab. Als der Wagen vorbeigefahren ist, hat der Türsteher McLain bereits gepackt. O’Hara kann nichts weiter tun, als zuzusehen, wie sich McLain windet und wehrt und dem Türsteher ins Gesicht tritt. Der Aufprall ist so heftig, dass das Geräusch von den Wänden hallt. Der gut gekleidete Koloss bleibt wie angewurzelt stehen und kippt wie ein schwarzer Riesenkühlschrank um. Auf dem Rücken liegend wehrt er sich nicht, als McLain ihm in die Innentasche seines glänzenden Jacketts greift und seine Brieftasche leert. Obwohl es nicht dem entspricht, was sie auf der Polizeiakademie über den Umgang mit brutalen Raubüberfällen gelernt hat, steckt O’Hara ihre Pistole wieder ins Holster und lächelt.
Reden ist Silber, Geld ist Gold. McLain, plötzlich gut bei Kasse, rückt sich die Krawatte zurecht und winkt sich ein Taxi heran. O’Hara, die Blasen an den Füßen und schreckliche Schmerzen hat, folgt dankbar seinem Beispiel. McLains Taxi fährt an der 14th vom West Side Highway ab und O’Hara folgt ihm im Abstand von einigen Wagen in ihrem Taxi bis zur Avenue A. An der Ecke 10th Street und Avenue A springt McLain heraus und verschwindet im Tompkins Square Park, wo er sich zu obdachlosen Pennern auf eine Bank setzt, die ihn gnadenlos wegen des Musters und Zustands seines Anzugs aufziehen. Die Männer, die den belegten Broten aus der Suppenküche, die in Plastik verpackt neben ihnen liegen, keine Beachtung schenken, lassen eine Halbliterflasche herumgehen und als McLain an der Reihe ist, nimmt er einen so großen Schluck, dass ihr Lachen in Protestgeheul umschlägt.
Allerdings hält es nicht lange an, denn O’Hara sieht von ihrem Beobachtungsposten auf einem Klettergerüst aus, wie McLain seine Brieftasche zückt und jedem Mann zwei Scheine gibt. Der Reaktion nach zu urteilen, handelt es sich nicht um Ein-Dollar-Noten. Dann steht McLain auf und bedenkt die Männer auf der nächsten Bank mit derselben Großzügigkeit, ebenso die auf der nächsten. Er beschenkt jeden Penner, der sich blicken lässt, als wäre er der Sinatra von Tompkins Park. Nachdem er sein Möglichstes getan hat, um den Lebensstandard hier in der südwestlichen Ecke zu heben, macht sich McLain auf in die Mitte des Parks und steckt dem Besitzer eines kunstvoll überladenen Karrens und zweien seiner Freunde ebenfalls Scheine zu. Nachdem er seine unrechtmäßig erworbene Barschaft auf diese Weise durchgebracht hat, setzt sich McLain auf eine Bank in eine Ecke der Auslaufzone, die kleineren Hunden vorbehalten ist. Zwischen all dem Gerenne und Gekläffe braucht O’Hara ein paar Minuten, bis sie erkennt, dass McLain
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