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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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Vielleicht hatte Francines ungewöhnliche Behandlungsmethode ja doch angeschlagen. Oder vielleicht hatte es auch überhaupt nichts mit Francine zu tun, sondern mit der Frau, die neben ihm saß.
    Er hatte Suki beauftragt, eine Kiste Jahrgangschampagner an Francine zu schicken, doch ein Geschenk für Colleen war ihm nicht eingefallen. Das, was er Frauen normalerweise schenkte – Parfüm, Dessous, Schmuck, entweder um Danke oder Auf Wiedersehen zu sagen –, schien ihm bei Colleen völlig unangebracht.
    „Schön.“ Sie hatte das Gesicht zum Fenster gewandt, ihre Stimme klang kühl und tonlos.
    Ärger schoss jäh in ihm hoch. Gesù , sich in diesen Wagen zu setzen und die Blicke der Welt auf sich zu spüren, war das Schwerste, was er je getan hatte. Jeder hatte darauf gewartet, dass er die Nerven verlieren würde. Dass er versagen würde, so wie er immer versagt hatte.
    Verdammt, er selbst hatte damit gerechnet. Doch nun hatte er sich nicht nur vor dem Andenken seiner Mutter beweisen müssen, sondern auch vor seinem Sohn. Und vor Colleen. Das war ihm gerade erst bewusst geworden.
    „Das Meer!“
    Alexanders Jubelschrei riss ihn aus den Gedanken.
    „Da! Da ist es!“
    Auf der rechten Straßenseite kam die Bucht in Sicht. Ein Schild wies den Weg zum Strand. Cristiano bog ab und hielt auf dem leeren Parkplatz, von dem aus man über den Strand blicken konnte. Kaum aus seinem Sitz befreit, rannte Alexander hinunter zum Strand.
    „Alexander, komm zurück! Du musst erst Jacke und Gummistiefel anziehen“, rief Colleen ihm nach, doch der Wind trug ihre Worte nur in den Himmel hinauf, an dem Möwen ihre schrillen Schreie ausstießen.
    „Er scheint zu wissen, wohin er will“, bemerkte Cristiano trocken.
    „Wir kommen oft her“, sagte Colleen, ohne den Blick von der kleinen Gestalt zu lösen.
    „Nehmen wir seine Sachen mit. Im Moment ist er zu aufgeregt, um die Kälte überhaupt zu spüren.“
    „Darum geht es nicht. Er soll nicht einfach losrennen. Es könnte ein Auto kommen, oder er könnte hinfallen, oder …“
    „Colleen, hör auf damit.“ Er fasste ihr Gesicht mit beiden Händen und drehte es zu sich, sodass sie ihn ansehen musste. Sorge stand in ihren Augen, die Farbe war nicht mehr das strahlende Kornblumenblau, an das er sich aus der Zeit in Courchevel erinnerte. Stattdessen hatte es das dunkle Blau der windgepeitschten See angenommen. Ein Schmerz durchzuckte ihn scharf und quälend.
    Verlangen, sicher, aber da war auch noch etwas anderes. Der Wunsch, sie zu beschützen. Ihr allen Kummer zu nehmen, ihr alles Leid zu ersparen. Sie wieder zu der Frau zu machen, die in seinem Hemd auf dem Bett gesessen hatte und ihm mit einem schüchternen Lächeln Frühstück gebracht hatte.
    „Es geht ihm gut“, sagte er leise und strich mit den Daumen über ihre Wangen. Ihre Lippen bebten leicht. Er konnte es spüren, als sein Mund sich auf ihren legte.
    Es war der zärtlichste, der zögerlichste aller Küsse, so ganz anders als die, die sie in dem Casino in Monaco und in den verschneiten Bergen geteilt hatten. Und doch hatte Cristiano das Gefühl, als würde seine Welt aus den Angeln gehoben. Ihm war, als hätte er Schritte in eine unbekannte Dunkelheit getan und wäre gestolpert …
    Doch dann zog Colleen sich von ihm zurück, senkte den Kopf, sodass ihr Haar ihr Gesicht wie ein Vorhang bedeckte. „Ich muss zu Alexander“, sagte sie rau, griff Jacke und Gummistiefel vom Rücksitz des Wagens und eilte davon.
    Mit ausholenden Schritten stapfte Colleen durch den Sand, hieß das dröhnende Schlagen der Wellen und den beißenden Wind auf ihren Wangen willkommen.
    Vielleicht würde sie das wieder zur Vernunft bringen. Von all den dummen, selbstzerstörerischen und unverantwortlichen Dingen musste Cristiano zu küssen wohl die Krönung sein. Oder besser, sich von ihm küssen zu lassen. Ein Kuss bedeutete ihm nichts, das hatte sie in Monaco beim Grand Prix vor vier Jahren miterleben können – bei all diesen Frauen in den Bikini-Oberteilen und knappen Shorts. Während für sie …
    Für sie war es wie Sauerstoff für die Flamme, die sie ersticken wollte. Öl auf das Feuer, das sie verbrennen würde, wenn sie es nicht löschte. Cristiano ließ sie den Sinn für die Wirklichkeit vergessen. Für alles, was wichtig war – Alexander.
    Nie wieder würde sie diesen Fehler machen.
    Alexander lief ein Stückchen vor ihr, blieb ab und zu stehen, um sich etwas anzusehen, oder ging in die Hocke, um etwas aus dem Sand aufzuheben. Der Wind

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