Die letzte Nacht
welche Fortschritte die beiden im Frühjahr geborenen Fuchsjungen gemacht hatten. Sie wurden allmählich groß und selbstständig. Die Mutter ließ sie gewähren, aber die beiden suchten nach wie vor die gegenseitige Nähe.
Er lehnte sich zurück, klappte das Buch zu und beschloss, sich die letzte Zigarette für diesen Tag zu genehmigen.
Manchmal vergehen Jahre, und es geschieht nichts, bis dir durch irgendeine Sache klar wird, dass sich alles verändert hat. Ohne dass du es gemerkt hättest. In jüngster Zeit hatte Contini den Spross einer wohlhabenden Luganer Familie überwacht, der sich der Kontrolle seiner Eltern zu entziehen versuchte. Der Detektiv hatte ihn auf seiner Höllentour durch die Nachtlokale verfolgt, bis die Eltern zu dem Schluss gekommen waren, dass es genügte. Dann hatte er Nachforschungen über den Background einiger Beschäftigter bei einer Versicherungsgesellschaft angestellt. Und jetzt wartete er auf die nächste Gelegenheit.
Er nahm einen tiefen Zug. Der graue Kater sprang aus dem Gebüsch und drückte sich, bevor er ins Haus lief, gegen die Beine des Sessels. Du siehst verbittert aus, Contini. Was willst du, Kater, mir fällt einfach nichts mehr ein.
Nicht darüber nachdenken … das war nicht einfach. Im vergangenen Winter hatte er angefangen, mit der eigenen Vergangenheit abzurechnen. Am Ende war ihm sein Leben wie ein nunmehr offenkundiges Versteck erschienen. Contini war beinahe vierzig Jahre alt, und er wusste, dass lange Sommerabende zu gefährlichen Überlegungen führen können. Er hatte gelernt, ein wenig Wein darauf zu trinken, die Gedanken im Rauch einer Zigarette zu zerstreuen.
Aber meistens braucht man nur an die Vergangenheit zu denken, und schon sind die Probleme da.
Der Gast kündigte sich weder durch Klingeln, noch durch Rufen an. Er tauchte zwei Schritte vom Vordach entfernt auf, und brachte das graue Fell des Katers dazu, sich zu sträuben. Contini blinzelte und legte die Zigarette ab.
»Suchen Sie jemanden?«
»Elia.«
Schweigen. Wer nannte ihn denn Elia? Der Detektiv erhob sich und sah dem Mann forschend ins Gesicht. Selbst Francesca nannte ihn Contini. Dieser Name, Elia, diese Stimme waren ein Zeichen aus der Vergangenheit. Und ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte.
»Wer bist du?«
»Erinnerst du dich nicht? Jean Salviati.«
Contini antwortete nicht. Er setzte sich wieder und nahm seine Zigarette. Er blies eine Rauchwolke aus, als wolle er seine Antwort dahinter verbergen.
»Jean«, murmelte er. »Du lebst noch …«
»Scheint so. Darf ich?«
Salviati schob einen Korbsessel neben den von Contini und setzte sich, die Hände auf die Knie gestützt.
»Ich bin in Schwierigkeiten, Elia. Ich war fort, aber jetzt musste ich zurückkehren.«
»Du lebst in Frankreich?«
»Ja.«
»Und was …«
»Ich bin Gärtner.«
»Ah.«
Bevor Salviati zu sprechen begann, atmete er tief durch.
»Hör zu, Elia, ich weiß, dass es vielleicht ein Fehler war, zu dir zu kommen. Ich weiß, dass wir uns seit Jahren nicht gesehen haben und dass ich hier einfach hereinplatze … dass du Polizist bist und ich …«
»Privatpolizist. Mit Diebstählen habe ich nichts zu tun.«
»Ich auch nicht. Ich habe auch nichts mehr damit zu tun …«
Die letzten Worte blieben Salviati im Hals stecken, und die beiden Männer verharrten in Schweigen. Bis sich Salviati räusperte, seine Pfeife und den Tabak hervorholte.
»Magst du was trinken?«, fragte Contini.
»Hast du Wein da?«
Contini brachte eine halbe Flasche Merlot, und Salviati erzählte ihm, während er seine Pfeife stopfte, von Linas Entführung und Forsters Erpressung.
»Erinnerst du dich an meine Tochter? Ich weiß nicht, ob ihr euch je begegnet seid …«
»Flüchtig.«
»Sie ist bereits über dreißig. Aber das Problem ist nicht Lina, sondern die Tatsache, dass Forster mich in die Zange nimmt.«
»Weshalb macht er diesen Bankraub nicht selbst?«
»Er will, dass ich für ihn die Kastanien aus dem Feuer hole. Außerdem schuldet Lina ihm einen Haufen Geld.«
»Vor allem hat er auf diese Weise jemanden, dem er die Schuld in die Schuhe schieben kann.«
»Meinst du, er will mich übers Ohr hauen?«
Contini nahm einen Schluck Wein. Dann sagte er:
»Er hat deine Tochter entführt.«
»Aber wenn der Bankraub klappt … Forster ist nicht blöd. Er weiß, dass es das Beste ist, sich den Kuchen zu teilen und sich dann aus dem Weg zu gehen.«
»Hat er keine Angst, dass du dich rächst?«
»Von wegen rächen. Forster
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