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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Viganellos, wo er den Wagen geparkt hatte.
    Während der Fahrt dachte er an die zehn Millionen der Junker-Bank. Eine gewaltige Summe! Selbst mit Forster geteilt, selbst abzüglich aller Kosten. Er nahm die Autobahn in Richtung Norden. Man musste aufpassen, durfte sich keine Fehler leisten. Salviati war zu seiner Zeit einer der Fähigsten gewesen, aber wie würde er mit all dem technischen Fortschritt zurechtkommen?
    Es war halb elf Uhr abends. Matteo hatte eine lange Reise vor sich: von den Lichtern Luganos bis zu den dunklen Pfaden des Bavonatals. Bei Bellinzona fuhr er von der Autobahn ab, nahm die Kantonsstraße nach Locarno und fuhr weiter ins Maggiatal. Als er Sonlerto erreichte, war es beinahe Mitternacht. Noch immer in Gedanken versunken, schlug er einen Pfad durchs Gebüsch ein. Weiter oben sah er ein Licht in den Bergen.
    Gut, dachte er, Lina ist noch wach.
    Oberhalb der Sennhütte gab es nichts mehr. Sie war der höchste bewohnte Punkt in einem der wildesten Täler des Tessins. Mithilfe einer Taschenlampe folgte Matteo der schwachen Spur eines Pfades. Dann verlor sich die Spur. Matteo musste sich durch einen Wald schlagen.
    Die Corói-Alm war seit Jahren verlassen. Die Natur eroberte das Terrain zurück, und die Sennhütte war von allen Seiten umwuchert. Wenn man die Gaslampe vor der Tür ausschaltete, war sie von unten praktisch nicht zu sehen. Um sie zu erreichen, musste man genau wissen, wo sie lag.
    Die Idee, dass Lina sich dort oben versteckt hielt, stammte von Forster, der die Hütte für alle Eventualitäten ausgestattet hatte. Matteo wollte lieber nicht darüber nachdenken, für welche Zwecke sie bereits verwendet worden war. Forster hatte Angst, Lina könne es sich anders überlegen: Er hatte Matteo befohlen, sie nicht aus den Augen zu lassen. Am Anfang wollte er ihm sogar einen zweiten Wächter an die Seite stellen. Zum Glück war es Matteo gelungen, ihn unter dem Vorwand, dass es Lina damit nicht gut gehen würde, davon abzubringen.
    »Wo warst du?«
    »Ich habe Jean Salviati getroffen.«
    Lina saß mit einem Buch am Feuer. Sie trug einen Pulli und Jeans. Das kastanienfarbene Haar fiel ihr auf die Schultern und glänzte im Licht. Als sie von ihrem Vater sprechen hörte, hob sie abrupt den Kopf. Matteo berichtete ihr in allen Einzelheiten von dem Treffen.
    »Aber wie hat er reagiert«, wollte sie am Ende wissen, »hat er nicht nach mir gefragt?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass es dir gut geht.«
    Lina sah sich um.
    »Wenn du meinst …«
    Die Sennhütte hatte nicht gerade viel Komfort zu bieten. Steinfußboden, ein Holztisch, ein paar Stühle, zwei Feldbetten und eine Feuerstelle. In einem mit Rigipswänden abgetrennten Raum befanden sich ein Waschtisch und eine Toilette.
    »Aber was hat er dir gesagt? Wann machen wir diesen Überfall?«
    »Läuft alles gut.« Matteo zog sich die Windjacke aus, trat an den Kamin und rieb sich die Hände. »Alles in Ordnung.«
    »Was soll das heißen, läuft alles gut? Müssen wir noch lange hierbleiben?«
    »Na ja, wir sollten’s als eine Art Urlaub auffassen.« Matteo grinste. »Hast du was gegen ein bisschen Urlaub?«
    »Nenn es von mir aus Urlaub! Aber hat mein Vater gar nicht von mir gesprochen?«
    »Er will mit dir telefonieren.«
    »Telefonieren? Und was soll ich ihm sagen?«
    »Ganz ruhig.« Matteo legte ihr eine Hand aufs Knie. »Kein Grund zur Sorge. Du rufst ihn in den nächsten Tagen an und sagst ihm, dass es dir gut geht.«
    »Aber wie soll ich das machen? Ich müsste ihm einen Haufen Lügen auftischen!«
    »Du brauchst nicht …«
    »Mein Vater ist nicht dumm, verstehst du?«
    »Du brauchst nicht lange mit ihm zu sprechen. Zwei Sätze, mehr nicht.«
    »Das schaff ich nicht! Er wird sofort merken, dass …«
    »Lina«, Matteo sah ihr in die Augen, »glaubst du an unseren Plan?«
    Die Flammen im Kamin waren das einzige Geräusch, die einzige Bewegung in dem düsteren Raum, der nach Holz roch. Bis Lina den Kopf senkte.
    »Ich habe Angst.«
    »Das ist natürlich.«
    »Wir sind hier allein, vollkommen abgeschnitten …«
    »Wir sind den Blicken der Welt entzogen. Allein mit unseren Träumen.«
    »Das ist nicht zum Lachen.«
    »Aber ich meine es ernst.«
    »Es steht viel auf dem Spiel, Matteo, hier geht’s darum, eine Bank auszurauben! Und das Ganze, indem mein Vater hinters Licht geführt wird …«
    »Ich weiß, Lina, es ist nicht einfach. Aber weißt du was? Das ist unsere Chance, wir müssen sie nutzen.«
    »Und derweil sind wir hier in Forsters Hütte

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