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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Serpentinen von Corvesco hinabfuhr, versuchte er, sich ein Bild von dieser Person zu machen. Ein Mann mit zahlreichen Kontakten in verschiedene Länder, der sich dennoch damit zufriedengab, im Schatten mächtigerer Strukturen zu gedeihen.
    Contini schloss das Autofenster, bevor er auf die Autobahn fuhr. Er lebte in Corvesco, im Sopraceneri, aber er fuhr jeden Tag zur Arbeit nach Paradiso, in jene kleine, an Lugano angegliederte Gemeinde. Nicht weit von dort, auf einem Hügel, befand sich Forsters Büro.
    Forster. Er hätte lieber nichts mit ihm zu tun gehabt. Aber er konnte keinen Rückzieher machen. Er hatte Salviati vor fünfzehn, vielleicht auch zwanzig Jahren kennengelernt. In einem anderen Leben, wie es schien. Salviati war noch nicht im Gefängnis gewesen: Er verdingte sich als Dieb und Gauner. Contini arbeitete bei einer Zeitung und nahm nebenbei den einen oder anderen Auftrag als Detektiv an, um sein Gehalt aufzubessern. Bis er schließlich, bei der Überwachung einer Villa in Ascona, in ziemliche Schwierigkeiten geraten war. So zur Abwechslung. Aber diesmal wäre es für Contini, ohne das Eingreifen Salviatis, übel ausgegangen …
    Genug Erinnerungen. Contini legte eine Kassette von Jacques Brel ein und versuchte, an die Gegenwart zu denken. Aber die alten französischen Chansons sind wie Schwämme. Ni ces départs, ni ces navires, ni ces voyages qui nous chavirent … Contini sah ein, dass es nichts nutzte, die Erinnerungen wegzuwischen. Man vergisst nichts. On n ’oublie rien de rien, on s’habitue, c’est tout.
    Er parkte am Seeufer in Paradiso, neben seinem Büro, einem ehemaligen Fischerhaus. Davor befand sich eine kleine Anlegestelle mit einem Ruderboot, das sich nach Jahren harter Arbeit seinen Ruhestand verdient hatte. Der Detektiv zog eine Sportjacke über und setzte sich einen Strohhut auf den Kopf. In einen Rucksack stopfte er eine Flasche Bier, eine Salami und etwas Brot. Dann schob er das Boot weiter ins Wasser und begann seine Jagd.
    Es war gegen ein Uhr mittags, die Sonne schien, der Wind fegte ein paar Wolkenfetzen vom Himmel. Contini krempelte die Ärmel hoch und fuhr zwischen Segel- und Motorbooten hindurch. Er wagte sich einige hundert Meter hinaus auf den See, dann ließ er sich auf den kleinen, schaumbekrönten Wellen treiben. Nach einigen Minuten zog er ein kleines Fernglas hervor und betrachtete den Himmel. Er ließ den Blick in alle Richtungen schweifen. Zum Gipfel des Monte Brè, dann zu den Landungsstegen von Paradiso und weiter nach oben, bis zu den glänzenden Fensterscheiben des Hotel Splendide und der am Hang gelegenen Häuser.
    Luca Forster. Als er den Raum betrat, erkannte Contini ihn am dunklen Schnauzbart. Forster setzte sich an den Schreibtisch, den Rücken zum Fenster. Vor ihm nahm ein Klient Platz – ein Araber, dem Aussehen nach zu urteilen. Der Klient trug eine Sonnenbrille.
    Contini sah sie diskutieren, sich erheben und wieder setzen und Schriftstücke unterzeichnen. Jemand brachte ein Tablett mit Tee. Am Ende schüttelten sich Forster und der Araber die Hände und verabschiedeten sich überschwänglich. Dann kamen andere Geschäftsleute, weiterer Tee, weitere herzliche Verabschiedungen.
    Der Detektiv merkte sich das Aussehen von Forsters beiden Gehilfen. Einer groß und kräftig, Salviati hatte ihm gesagt, dass er Elton hieß. Der andere älter und mit krummem Rücken. Er behielt auch die verschiedenen Klienten im Kopf: Aussehen, geschätztes Alter, Verhalten.
    Kurz darauf erhob sich Forster und baute sich vor der Glasfront auf. Contini spürte den Impuls, sich zurückzuziehen: Es sah tatsächlich so aus, als würde er zu ihm hinsehen. Aber Forster bewegte nur die Lippen. Sofort kam jemand und ließ die Jalousien herunter, während Forster den Raum verließ. Contini nahm nun mit dem Fernglas die Kreuzung ins Visier, die in die Innenstadt führte. Zwanzig Minuten lang beobachtete er alle vorbeifahrenden Autos, und am Ende war er ziemlich sicher, dass Forster in Richtung Autobahn gefahren war.
    Am nächsten Tag, gegen sieben Uhr abends, als Forster aufbrach, wartete Contini an der Auffahrt Lugano Süd auf ihn. Er folgte ihm bis zur Abfahrt Lugano Nord und dann auf der Kantonsstraße nach Tesserete.
    An diesem Abend telefonierte Contini mit Salviati.
    »Das ist wenig«, sagte der alte Dieb, »wir wissen zu wenig. Wir müssen mehr in Erfahrung bringen.«
    »Langsam«, erwiderte Contini. »Denk dran, dass er deine Tochter hat.«
    »Ja«, Salviati seufzte, »du hast

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