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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Pflicht tun und so gut wie möglich für sie sorgen. Vielleicht können sie sich mit der Zeit doch an mich gewöhnen.«
    Geoffrey sagte: »Kommt, wir reden draußen.«
    Ich gab jedem der beiden Mädchen zum Abschied einen Kuss, dann folgte ich Geoffrey hinaus.
    »Ich kann die Kinder nicht bei einer Dirne lassen   – das wäre ein Verbrechen«, flüsterte ich niedergeschlagen, als wir die Stiege hinuntergingen.
    »Sich an eine Kupplerin zu verdingen, ist vielleicht eine Sünde, aber es ist kein Verbrechen«, entgegnete er. »Diese Hurenhäuser sind gesetzlich zugelassen. Ich habe sogar gehört, dass die meisten dieser Häuser in Southwark auf dem Grund und Boden des Bischofs von Winchester stehen.«
    Stephen Gardiner verpachtete sein Land an Hurenhäuser? Undenkbar.
    »Es geht doch auch um das Seelenheil der Kinder«, sagte ich. »Kinder brauchen moralische Führung, nicht einfach nur zu essen und ein Dach über dem Kopf.«
    Wir standen vor dem Haus. Schwester Agatha hatte recht, es war spät. Uns blieb nicht viel Zeit, um rechtzeitig ins Kloster zurückzukommen.
    »Sie scheint ihr altes Leben zu bereuen und neu anfangen zu wollen«, meinte Geoffrey. »Stephen Westerly muss sie sehr lieben, dass er sie zu seiner Frau gemacht und so viel für sie aufs Spiel gesetzt hat.«
    Ich schauderte. »
Lieben
? Wie kann er so eine Person lieben? Seine Frau, die arme Lettice, die Mutter seiner Kinder, war eine brave Frau und eine gute Christin.«
    Geoffrey blickte zum oberen Geschoss des Hauses hinauf, als erwartete er dort an den Fenstern die Gesichter der Kinder zu sehen. Aber niemand zeigte sich. »Wir haben keine Macht darüber, wen wir lieben«, sagte er in seltsamem Ton.
    Schwester Agatha, schon im Wagen, rief ungeduldig: »Was verweilt Ihr noch? Wir müssen ins Kloster zurück, Schwester.«
    »Ja, fahren wir, Schwester Joanna«, sagte Geoffrey und ging mir voraus zum Wagen. »Mein Pferd steht in der Nähe des Markts. Vielleicht bringt Ihr mich einfach dorthin, und dann begleite ich Euch. Ich sollte mit der Priorin besprechen, was wir eben gehört haben.«
    »Könnt Ihr nicht zu Fuß zum Markt gehen?«, fragte Schwester Agatha unfreundlich.
    Ihre Unhöflichkeit überraschte mich. »Schwester, wir sollten nicht so kleinlich sein.« Ich wandte mich Geoffrey zu. »Bitte kommt mit.«
    Es war eine ungemütliche Fahrt in Gesellschaft der brummigen Schwester Agatha. Sobald Geoffrey aus dem Wagen gesprungen war, fragte ich sie: »Warum seid Ihr so unwirsch zu Geoffrey Scovill? Er hat uns doch heute geholfen.«
    »Schwester Joanna, ich spüre zwischen ihm und Euch eine Vertrautheit, die ich tadeln muss«, sagte sie im schlimmsten Schulmeisterton. »Wenn Ihr mit ihm sprecht, gewinnt man den Eindruck, dass Ihr sehr gut mit ihm bekannt seid, obwohl das gar nicht möglich sein kann. Es ist höchst unpassend.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. »Ja, Schwester Agatha«, sagte ich mit aller Demut, die mir zu Gebote stand.
    Den Rest der Fahrt legten wir schweigend zurück. Die Sonne war an diesem Tag nicht herausgekommen. Es war einer jener feuchten Novembernachmittage, an denen das Grau sich langsam verdunkelt, bis alles Licht schließlich erlischt. Ich weiß nicht, ob es an der Unwirtlichkeit des Tages lag oder an meiner Bangnis, zu spät ins Kloster zurückzukommen, aber meine Freude darüber, dass wir nun den Beweis für Bruder Edmunds Schuldlosigkeit hatten, war sehr gedämpft.Die Entdeckung, dass vielleicht eine Frau Lord Chester getötet hatte, und mit solch wütender Gewalt, machte mir zu schaffen.
    Der Abend hing trostlos über dem Land, als John den Wagen in den Klosterweg lenkte. Als wir um die Ecke bogen, bemerkte ich in der Ferne orangefarbenen Flammenschein. Es machte mich unruhig; ich konnte mir nicht vorstellen, was es zu bedeuten hatte. Die zwei Fackeln, die an unserem Pförtnerhaus brannten, konnten kein so starkes Licht verbreiten.
    Geoffrey gab seinem Pferd die Sporen und nahm den Rest des Wegs im Galopp   – er würde eine gute Weile vor uns ankommen.
    Als wir uns dem Pförtnerhaus näherten, sah ich, dass vor dem Kloster ein frisch entzündetes Feuer brannte, das von zwei unserer Dienstboten beaufsichtigt wurde. Die Priorin, Bruder Richard und Geoffrey standen mit drei Männern zusammen, die ich nicht kannte.
    »Das Feuer haben sie doch bestimmt nicht wegen uns angezündet«, bemerkte Schwester Agatha.
    »Nein, die Sonne ist ja gerade erst untergegangen«, antwortete ich.
    Wir rollten unter dem Torbogen hindurch.

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