Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Ahnung, wer es war?«, fragte Geoffrey.
»Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Es war dunkel.«
»Hatte sie einen Habit an? War es eine Nonne?«
»Das konnte ich nicht erkennen. Es war ja – ich hab sie nur ganz kurz gesehen. Sie ist durch die Tür gegangen und hat sie hinter sich zugemacht. Aber ich hab gesehen, dass sie was Langes, Dunkles anhatte.«
Die Habite der Dominikanerinnen waren weiß, es konnte also keine Nonne gewesen sein. Es sei denn, sie hatte einen Mantel darüber getragen.
Geoffrey neigte sich zu dem Mädchen hinunter. »War sie jung oder alt? Wie schnell hat sich die Frau bewegt?«
»Schnell, Sir. Aber ich kann wirklich nicht sagen, wie alt sie war.«
Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. »Habt ihr sonst noch etwas bemerkt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind schnell wieder auf den Gang raus.«
Ich lehnte mich enttäuscht zurück. Doch Geoffrey blickte sie unverwandt an. »Da ist doch noch etwas, hm?«, fragte er sanft. Ich bewunderte seine Geduld.
»Wir haben Stimmen gehört. Von zwei Leuten. Das eine war eine Frau. Todsicher.«
»Habt ihr auch gehört, worüber die Leute gesprochen haben?«
»Nein«, antwortete Ethel. »Erst haben sie leise miteinander geredet. Dann hat der Mann ›Nein‹ gesagt. Das hab ich gehört. Er hat nicht geschrien und er war auch nicht wütend. Aber dann hat’s so gebumpert, so ganz dumpf. Viermal. Bum, bum, bum, bum.«
Mir lief es eiskalt über den Rücken. Die Kinder hatten gehört, wie Lord Chester getötet worden war.
»Das hat so komisch geklungen, da sind wir weggerannt«, sagte Ethel. »Wir sind zurück in die Brauerei, und am nächsten Morgen sind wir ins Dorf zurückgegangen. Am nächsten Abend ist Vater heimgekommen.«
Schwester Agatha schüttelte mich am Arm. »Es war eine Frau«, sagte sie aufgeregt. »Nicht Bruder Edmund.«
Ja, aber wer war die Frau gewesen?
Wir sahen beide Geoffrey Scovill an. Er war tief in Gedanken.
»Was passiert jetzt?«, fragte ich ihn.
»Ich werde Richter Campion und Coroner Hancock Bericht erstatten – was danach geschehen wird, kann ich nicht sagen.«
Schwester Agatha wollte unverzüglich ins Koster zurückkehren, aber Geoffrey erklärte, er müsse noch mit Catherine Westerly sprechen. Ohne die Kinder. Er überredete die widerwillige Schwester, sich um die Mädchen zu kümmern, und bat mich, ihn zu begleiten.
Catherine musterte uns misstrauisch. »Was wollt Ihr von mir?«
»Wo hast du gelebt, bevor du den Vater der Kinder geheiratet hast?«, fragte Geoffrey. »Sagtest du Southwark?«
»Warum?«
»Weil ich glaube, dass du vor deiner Heirat in den Diensten einer Kupplerin gestanden hast.«
Die Frau bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und wandte sich von uns ab. »Geht weg, geht weg«, jammerte sie.
Ich war fassungslos. Eine Dirne.
»Ich frage dich das nicht, um dich zu beschämen«, sagte Geoffrey behutsam, »aber ich habe bemerkt, wie erschrocken du warst, als wir kamen, als würdest du dich versteckt halten. Und diese Narbe in deinem Gesicht – so brandmarken Kupplerinnen Huren, die nicht gehorcht haben. Hat Stephen Westerly dich ausgelöst, als er dich nach Dartford mitgenommen hat?«
Immer noch mit den Händen vor dem Gesicht schüttelte sie leicht den Kopf. »Er wollte es, aber er konnte das Geld nicht zusammenkriegen. Er hat gewusst, dass seine Frau stirbt, da haben wir uns in London versteckt. Wir sind wirklich verheiratet – das ist die Wahrheit. Ich habe die Dokumente.«
Geoffrey nickte. »Ich glaube dir. Ich habe das alles auch nur angesprochen, weil die Kinder noch einmal befragt werden müssen, von Amts wegen, und ich fürchte, dass ihr nicht in Dartford bleibt.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wo wir leben, bestimmt mein Mann.«
»Gut«, sagte Geoffrey. »Ich komme wieder, sobald wie möglich, und rede mit ihm.« Er sah mich an. »Jetzt können wir gehen.«
Wir waren schon fast an der Tür, als die Mädchen mich von hinten umschlangen. »Lass uns nicht hier, Schwester Joanna«, bat Martha, und Ethel sagte weinend: »Ich möchte wieder ins Kloster und bei Euch und den Schwestern sein. Ich bin alt genug, um zu arbeiten. Nehmt mich mit.«
Auch mir war nach weinen zumute. Ich konnte nicht sprechen. Ich blickte zu Catherine Westerly, die alles gehört hatte.
»Ja, die Kinder mögen mich nicht«, sagte sie und straffte die Schultern. »Sie geben mir die Schuld daran, dass sich niemand um ihre Mutter gekümmert hat, als sie starb. Aber ich werde meine
Weitere Kostenlose Bücher