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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Verdacht gegen uns nicht mehr bestehen.
    Eine unserer Schwestern war natürlich ganz direkt von Lady Chesters Verzweiflungstat betroffen. Ich war nicht zugegen, als SchwesterChristina vom Tod ihrer Mutter erfuhr, ich sah sie erst Stunden später, als ich nach dem letzten Gebet in unser Dormitorium kam. Sie wirkte sehr verändert. Von ihrer resoluten Entschlossenheit und ihrer Selbstgewissheit war nichts geblieben. Sie schien völlig orientierungslos. Und schwach.
    »Braucht Ihr etwas?«, fragte ich. »Ich möchte gern etwas für Euch tun, Schwester Christina. Die Nachricht vom Tod Eurer Mutter muss doch eine ungeheure Erschütterung gewesen sein. Soll ich vielleicht Schwester Agatha holen?«
    »Nein, bitte nicht.« Ihre Stimme war brüchig. »Schwester Agatha mit ihren Fragen kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Und genauso wenig Schwester Rachel mit ihren Elixieren oder die Priorin mit ihren Gebeten. Die Einzige, die ich jetzt ertragen kann, seid Ihr, Schwester Joanna. Ich weiß, wenn ich Euch bitte zu schweigen, werdet Ihr meinen Wunsch respektieren, nicht wahr?«
    »Natürlich.«
    Und es wurde kein Wort mehr gesprochen.
     
    Am folgenden Tag traf Schwester Christinas Onkel, der Bischof von Dover, ein. Nach der Ermordung seines älteren Bruders war er nicht ins Kloster gekommen, aber der Selbstmord seiner Schwägerin war ihm Anlass genug für die Reise. Schwester Christina besprach sich mehrere Stunden im Lokutorium mit ihm und wirkte, als sie herauskam, nicht mehr so durcheinander, wenn auch immer noch gedrückt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie mit der Ermordung ihres Vaters und dem Selbstmord ihrer Mutter fertigwerden sollte, die nun nicht einmal in geweihter Erde begraben werden durfte.
    Aber die größten Sorgen bereitete mir Schwester Winifred. Am Morgen nach meinem Ausflug ins Dorf begab ich mich wie gewohnt ins Hospital und fand sie dort ruhelos und fiebrig auf ihrem Lager vor. Rote Flecken brannten auf ihren Wagen.
    Schwester Rachel sagte nervös: »Genau das habe ich befürchtet. Sie hat sich eine Infektion zugezogen und besitzt nicht die Kraft   – oder den Willen   –, sie zu bekämpfen.«
    »Was kann ich tun?«
    »Ich bereite gerade einen Beinwelltee. Ihr könnt mir helfen«, sagtesie. »Aber wahrscheinlich wäre es klüger, Ihr bliebt Schwester Winifred fern.«
    »Ich werde nie krank. Bitte, erlaubt mir, sie zu pflegen«, bat ich.
    Sie seufzte. »Nun gut, aber wenn wir Euch beide verlieren, wird das die Priorin zutiefst bekümmern.«
    Ich erhielt die Erlaubnis, abgesehen von den Gottesdiensten all meine Zeit Schwester Winifreds Pflege zu widmen. Aber es änderte sich nichts. Weder der Beinwell noch das Mittel, das Bruder Edmund mich zuzubereiten gelehrt hatte, halfen. In der Nacht bekam Schwester Winifred einen feuchten Husten. Jedesmal, wenn ich sie husten hörte, hielt ich vor Anspannung den Atem an.
    Am nächsten Morgen, während ich ihr mit einem feuchten Tuch die Stirn kühlte, verschafften sich meine Ängste Durchbruch. Vielleicht würde Schwester Winifred sterben. Wie schon unzählige Male vorher fragte ich mich, ob es ihr Kraft geben würde, zu hören, dass Lady Chester gestanden hatte, ihren Ehemann getötet zu haben, dass Bruder Edmund also von allem Verdacht befreit war. Schwester Rachel und ich hatten das schon am Tag zuvor erwogen. Die Art, wie Lady Chester ihren eigenen Tod herbeigeführt hatte, sei zu erschütternd, hatte Schwester Rachel gemeint, und solange wir nicht Gewissheit hätten, dass Bruder Edmund zurückkehren würde, sei es besser zu schweigen.
    Wieder hustete Schwester Winifred, so heftig, dass sie sich vor Schmerzen krümmte. »Möge die Heilige Jungfrau Euch heilen und beschützen, Schwester Winifred«, flüsterte ich. Sie drehte mir den Kopf zu. Ihre Augen weiteten sich, und sie öffnete den Mund. »Edmund«, stöhnte sie.
    »Ja, ich weiß, mir fehlt er auch«, sagte ich und tupfte ihren zarten Hals mit dem Tuch ab.
    »Ich bin hier, Schwester.«
    Mein Herz setzte einen Schlag aus. Bruder Edmund war zurück!
    Mit einer Energie, die ich ihr nicht zugetraut hätte, richtete sich Schwester Winifred auf und streckte die Arme aus. »Gott hat mich erhört!«
    Schnell und doch behutsam, wie ich das von ihm kannte, schob er seiner Schwester die Hand unter den Kopf und half ihr, sich wiederhinzulegen. »Ja, ich bin hier und ich werde dich jetzt pflegen«, sagte er. »Komm, beruhige dich.«
    Ich war überglücklich. Aber dann sah ich sein Gesicht. Er schien in weniger

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