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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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gegenüber wir uns zur Loyalität verpflichten«, sagte er. »Die Rebellen aus dem Norden haben das Kreuz gewählt.« Er wies mit dem Kopf zurück in Richtung der furchterregenden Brücke. »Ihr habt gesehen, wohin das führen kann.«
    Ich musste Geoffrey Scovill nicht erst fragen, wem er Loyalität schuldete. Für ihn war die Wahl ganz einfach. Und was mich anging, so musste ich an Sir Thomas Morus denken, den außerordentlich klugen, tapferen Mann, der auf dem Schafott gesagt hatte: »Ich sterbe als treuer Diener des Königs, aber vor allem als treuer Diener Gottes.«
War es für ihn so einfach gewesen, den Märtyrertod anzunehmen?
, fragte ich mich.
    In den wenigen Minuten bevor wir anlegten, betete ich. Ich betete für Margarets Seelenheil, ich bat um die Errettung meines Vaters undum Freiheit für Geoffrey Scovill. Ich bat um Kraft und Weisheit für all meine Worte und Taten. Ich bat um Gnade.
    An einer schmalen steinernen Anlegestelle, die in die wuchtige Backsteinmauer eingelassen war, erwarteten uns zwei Gruppen von Männern. Fackeln leuchteten zu beiden Seiten eines finster gähnenden Tores in der Mauer, dessen Fallgatter hochgezogen war.
    Die größere Gruppe, alle in grau-burgunderroter Tracht, half den Ruderern, das Boot zu wenden und parallel zum Landungssteg in Position zu bringen. Als es festgemacht war, beugte sich einer der Wachsoldaten herunter und bot mir, ohne mich dabei anzusehen, die Hand.
    Sobald ich auf festem Boden stand, trat ein Angehöriger der kleineren Gruppe vor, ein junger Mann mit gepflegtem Bart und wachem, nervösem Blick. »Miss Joanna Stafford, hiermit werdet Ihr dem Gewahrsam des Tower übergeben«, rief er lauter, als es an diesem Ort notwendig schien. »Tower-Wachen, führt sie ab!«
    Ich drehte mich erschrocken um, als ich hinter mir ein lautes Poltern hörte. Geoffrey Scovill lag zu Füßen eines der Männer der Tower-Wache auf dem Steinboden.
    »Ist er ohnmächtig geworden?«, fragte der junge Hauptmann.
    »Ganz recht, Hauptmann«, antwortete der andere verächtlich.
    »Er ist verletzt«, erklärte ich. »Er hat in Smithfield einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen. Er hat nichts verbrochen. Sein Name ist Geoffrey Scovill.«
    Ebenso gut hätte ich gar nichts sagen können.
    Die Wachen hoben Geoffrey Scovill auf und schleppten ihn, die Füße voran, wie einen Sack durch das Tor. Als sie an mir vorüberkamen, konnte ich das frische Blut sehen, das sich unter Geoffrey Scovills Verband ausbreitete. Er musste mit dem Kopf auf den Stein geschlagen sein und sich erneut verletzt haben.
    »Er braucht einen Wundarzt, seht Ihr das nicht?«, sagte ich zum Hauptmann.
    »Ihr habt hier keine Befehle zu erteilen, Miss«, versetzte er mit ärgerlich zusammengepressten Lippen. »Ihr seid festgenommen.«
    »Und was wird mir vorgeworfen?«, entgegnete ich scharf. »Wer hat meine Festnahme angeordnet?«
    Am anderen Ende der Anlegestelle entstand plötzlich Bewegung. Ein Mann, der mir bisher nicht aufgefallen war, näherte sich. Er war viel älter als die anderen, um die Sechzig, und, wie ich sah, als er ins flackernde Licht trat, in kostbaren dunkelgrünen Samt gekleidet. Eine schwere goldene Kette blitzte auf dem Wams mit den weiten geschlitzten Ärmeln. Er sah aus, als wollte er zu einem Fest bei Hofe, nur seine saure Miene sprach dagegen.
    »Ich bin Sir William Kingston, der Gouverneur des Tower of London«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Ihr befindet Euch auf ausdrücklichen Befehl seiner Majestät hier.«
    »Wie kann das sein?«, fragte ich.
    Sir William trat noch näher heran, und ich konnte die tiefen Falten der Müdigkeit in seinem Gesicht erkennen. »Nach dem Tumult in Smithfield wurde ein berittener Bote nach Greenwich gesandt, wo der König und die Königin sich zur Zeit aufhalten«, erklärte er mir. »Der König wurde von der Situation in Kenntnis gesetzt. Er hat befohlen, Euch, Euren Vater und die dritte Person, die an dem Zwischenfall beteiligt war, bis zum Abschluss einer umfassenden und gründlichen Untersuchung im Tower festzusetzen.«
    »Ist mein Vater auch hier im Tower?«, fragte ich. »Wie geht es ihm?«
    Sir William antwortete nicht, sondern wies nur mit langem samtumkleidetem Arm in den finsteren Torbogen.
    »Es ist Zeit hineinzugehen, Miss Stafford.«
    Sie warteten, was ich tun würde, der Gouverneur und sein Hauptmann. Ich hatte Geschichten von Gefangenen gehört, die heulend und schreiend in den Tower geschleift worden waren. Mit ihnen würde ich mich nicht

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