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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Burschen zu verlieren. Wie soll ich nachts schlafen, wenn ich weiß, wie gemein er vielleicht ein unschuldiges junges Mädchen wie sie behandeln wird?«
    Margaret stand auf und tätschelte Elizabeth die Schulter. »Ruhig, reg dich nicht auf«, sagte sie. Wie immer sorgte Margaret sich mehr um ihre zarte ältere Schwester als um sich selbst.
    Dabei wäre es vielleicht geblieben, hätte nicht Charles Howard, der Siebzehnjährige, der an Elizabeths anderer Seite saß, hochnäsig nuschelnd gesagt: »Aber, aber, Herzogin, gibt es nicht Damen, die nächtliche Gemeinheiten durchaus schätzen?«
    Elizabeth zuckte mit bebenden Lippen vor ihm zurück. Dann sprang sie zur Überraschung aller auf und begann an ihrem langen Ärmel zu zerren.
    »Seht Ihr das?«, rief sie schrill. Und gleich darauf, als sie den Ärmel noch ein Stück höher zog, sahen wir es in der Tat: einen langen, gelblich violett verfärbten Bluterguss, der sich ihren mageren rechten Arm hinaufzog. »Ich habe meinen Mann das letzte Mal vor einer Woche gesehen. Als er mir befahl, mich zu ihm zu legen, und ich ihn fragte, wohin er denn seine Hure legen wolle, hat er mir das angetan.«
    Sprachlos vor Entsetzen saßen wir da, während die Herzogin sich nach rechts und links drehte und uns dabei mit einer Art Stolz, der befremdlich und schrecklich wirkte, ihren Arm entgegenstreckte. Hätte ihr Vater, der Herzog von Buckingham, noch gelebt, so hätte Norfolk es niemals gewagt, seine Frau zu schlagen und zu demütigen. Das wussten wir alle.
    Die kleine Mary Howard blickte auf ihren Teller hinunter, und ich fragte mich, was sie über ihren Vater dachte.
    »Beruhige dich, Schwester, ich bitte dich«, sagte mein Cousin Henry. Für Henry und Ursula war es das Wichtigste, die Familie zusammenzuhalten, Streit und Vorwürfe zu vermeiden, damit es nie wieder Grund zu Argwohn und Misstrauen gäbe.
    Zum ersten Mal jetzt ergriff meine Mutter in ihrem fremdartig klingenden Englisch das Wort. »Herzogin«, sagte sie, »wir sind sehrdankbar für Eure Unterstützung bei unseren Bemühungen, Joanna eine Stellung bei Hofe zu beschaffen.«
    Alle Augen richteten sich auf mich, und ich rutschte verlegen auf meinem Stuhl hin und her.
    Elizabeth nickte. »Die Königin ist Euch trotz allem immer noch zugetan«, sagte sie, und meine Mutter lächelte triumphierend.
    Meine Mutter hatte im zarten Alter von vierzehn Jahren ihr Heimatland verlassen und war der spanischen Prinzessin Katharina von Aragón, die Arthur, dem Prinzen von Wales versprochen war, als Hofdame ins ferne England gefolgt. Arthur starb nur wenige Monate nach der Eheschließung, die verwitwete Katharina heiratete seinen jüngeren Bruder Heinrich und wurde schließlich Königin von England. Meine Mutter Isabella, die ihr all die Jahre treu gedient hatte, heiratete sechs Monate nach Katharinas Krönung einen höchst ansehnlichen Verwandten des Königs, meinen Vater, Sir Richard Stafford, nach dem König einer der besten Reiter und Turnierkämpfer des Landes. Wieder eine Eheschließung, die von den schönsten Hoffnungen getragen wurde.
    Ich wurde knapp zwei Jahre später geboren und nach Stafford Castle gebracht, wo ich von Ammen, Erzieherinnen und Hauslehrern großgezogen wurde. Der Platz meiner Mutter war an der Seite der Königin, ich bekam sie nur wenige Male im Jahr zu sehen. Dergleichen war durchaus Usus.
    Als ich zehn Jahre alt war, wurde der Herzog von Buckingham festgenommen, vor Gericht gestellt und hingerichtet, und plötzlich wurde alles anders. Alle Staffords wurden bei Hofe verbannt; einer meiner älteren Onkel wurde gleichzeitig mit Buckingham festgesetzt, kam aber später wieder frei. Meinen Eltern wurde nichts vorgeworfen, aber auch sie waren bei Hofe nicht mehr geduldet. Meine Mutter als angeheiratete Stafford wurde gezwungen, sich aufs Land zurückzuziehen, fern der Königin, die ihr so viel bedeutete. Auf Stafford Castle gab es kaum noch Personal, deshalb nahm sie meine Erziehung selbst in die Hand. Plötzlich war meine Mutter nicht mehr ein ferner glänzender Stern, sondern eine leibhaftige Person dicht an meiner Seite, die litt und jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich richtete.
    Elizabeth rümpfte die Nase und sah auf ihren Teller hinunter. »Dieses Wild ist ja recht schmackhaft, aber bekommen wir keinen Fisch?«, nörgelte sie.
    Wir, die auf Stafford Castle lebten, waren peinlich berührt. Mein Vater hatte zwei Tage lang von früh bis spät in den Wäldern gejagt, um unseren Gästen frisches Wild

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