Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
gemeinmachen.
Mit einem Nicken wandte ich mich zum Tor und betrat, von Wachen flankiert, den Tower of London.
Kapitel 5
Stafford Castle, April 1527
»Ich will aber nicht verheiratet werden«, sagte Margaret zu mir. Sie war siebzehn und ich sechzehn. Es war tiefe Nacht, und wir lagen in unseren Nachthemden in meinem Schlafzimmer im Bett, dicht aneinander geschmiegt, um uns warm zu halten. Die Frühlingsluft draußen war lau, aber in meinem Zimmer war es kalt. Nach Ostern durfte nachts kein Feuer mehr gemacht werden. Eine der vielen Sparmaßnahmen auf Stafford Castle.
Ich zog die Decke höher, während ich nach den rechten Worten suchte. Ich war tief unglücklich über die Pläne zu Margarets Verheiratung, von denen ich an diesem Tag erfahren hatte, denn das bedeutete, dass ich sie nun noch weniger sehen würde, aber es wäre egoistisch gewesen, so etwas zu sagen. Jetzt, da sie bekannte, dass sie selbst gar keine Lust hatte zu heiraten, war ich in Verlegenheit.
Dann fiel mir etwas ein.
»Ich will auch nicht Hofdame der Königin werden«, sagte ich.
Margaret nickte. »Das kann ich verstehen.«
Die Pläne für unsere Zukunft waren an diesem Tag beim Essen im Festsaal besprochen worden. Der Raum wurde nur noch selten zu Mahlzeiten benutzt, aber der Anlass hatte es geboten: Meine Cousine Elizabeth, die Herzogin von Norfolk, war zu einem vierzehntägigen Besuch eingetroffen, ohne ihren Ehemann natürlich. Sie hatte neben ihrer bevorzugten Gefährtin Margaret ihre achtjährige Tochter Mary und, was recht seltsam anmutete, ihren Schwager Charles Howard mitgebracht. Ich hatte Elizabeth, älter als ich und reichlich hochmütig, nie besonders gemocht, und für die Howards hatte ich ganz allgemein nichts übrig, aber über diesen Besuch freute ich mich, da er mich wieder mit Margaret vereinte.
Die Staffords und die Howards waren einmal die mächtigsten Herzogsgeschlechter Englands gewesen. Mit der Heirat von Thomas Howard, Erbe des Herzogtums Norfolk, mit Elizabeth, der ältesten Tochter des Herzogs von Buckingham, waren die beiden Familien eine glänzende Verbindung eingegangen. Der verwitwete Howardwar wesentlich älter als Elizabeth, aber er hatte sich auf den Schlachtfeldern in Frankreich, Schottland und Irland Ruhm erworben und genoss bei Hof hohes Ansehen. Sie nahm sein Werben an und gelobte vor Gott, ihn zu ehren und ihm zu gehorchen.
Welch ein Segen, dass sie nicht in die Zukunft sehen konnte, wo eine unglückliche Ehe, die Hinrichtung ihres Vaters und der tiefe Fall der Familie Stafford warteten.
Nach der Enthauptung des Herzogs von Buckingham im Jahr 1521 waren alle seine Güter eingezogen worden und an die Krone gefallen, bis auf eine Ausnahme: Stafford Castle, Stammsitz der Familie, während der Regierungszeit Wilhelm des Eroberers auf einer Anhöhe erbaut. Ich hatte mein ganzes Leben dort verbracht. Der älteste Sohn des Herzogs, mein Cousin Henry, durfte es behalten und die dazugehörigen Ländereien bewirtschaften. Mit seiner Familie und unserer, meinem Vater, meiner Mutter und mir, zog er in das halb verfallene alte Gemäuer ein. Die übrigen Mitglieder der Familie Stafford, die Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten, zerstreuten sich in alle Winde. Elizabeth bestand darauf, meine Cousine Margaret zu sich zu nehmen, um Gesellschaft zu haben. Viele Briefe gingen zwischen Margaret und mir hin und her, aber zu sehen bekamen wir uns nur bei ihren Besuchen auf Stafford Castle. Mein Vater reiste einmal im Jahr nach London, um sich um das kleine Haus zu kümmern, das ihm geblieben war. Meine Mutter und ich jedoch blieben stets zurück. Für Reisen reichte das Geld nicht.
Ich verstand Margarets Heirat nicht. Nicht nur sie selbst schien bedrückt bei der Vorstellung, sondern auch Elizabeth zeigte sich beim gemeinsamen Essen offen aufgebracht über die geplante Eheschließung.
»Er ist einer der Gefolgsleute meines Mannes, dieser William Cheyne«, sagte Elizabeth mit roten Zornesflecken auf den eingefallenen bleichen Wangen. »Er hat um Margarets Hand angehalten, und der Herzog hat einer Heirat zugestimmt, ohne mir ein Wort zu sagen. Er ist froh, dass Cheyne bereit ist, sie ohne große Mitgift zu nehmen.«
»Dann ist es eine Liebesheirat?«, fragte Ursula Pole Stafford, die Frau meines Cousins Henry. Sie war schon wieder guter Hoffnung, das dritte Mal in fünf Jahren.
»Margaret hat keine zehn Worte mit ihm gewechselt«, rief Elizabeth. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, sie an so einen ruppigen jungen
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