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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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erwirkte die Herzogin für uns die Erlaubnis, die Priorin eines kleinen nahegelegenen Klosters aufzusuchen. Bei ihnen haben wir den Stillen Freitag verbracht, Joanna. Wir sind mit den Schwestern auf bloßen Knien zum Kreuz gerutscht, und es war so   … schön. So befeuernd. Sich unter Frauen zu befinden, die gottesfürchtig und gut zueinander sind. Ihre Gesichter strahlten so viel Freude und inneren Frieden aus, sie erfüllen den Auftrag des Herrn. Und weißt du, Joanna, unter den Nonnen gibt es sehr gelehrte Frauen. Sie lesen gerne, genau wie du. Sie studieren die lateinische Sprache und lesen alte Handschriften. Ach, eine von ihnen zu sein, sicher vor aller Versuchung   –«
    »Versuchung?«, wiederholte ich verwundert. »Welche Versuchung denn?«
    Sie musterte mich kurz. »Möchtest du einmal heiraten, Joanna?«
    »Nein.« Ich war selbst überrascht über die Heftigkeit in meiner Stimme. »Mir ist nie ein Mann begegnet, den ich gern zum Gatten gehabt hätte. Den meisten Männern, die ich kenne, mangelt es an Qualität, sie sind so weit entfernt von   … von   …«
    Lächelnd nahm Margaret
Le Morte d’Arthur
zur Hand, das auf einem Hocker vor dem Feuer lag. »Von Sir Galahad und den Gralsrittern?«
    »Ist es denn falsch, sich einen Gatten zu wünschen, der mutig und tugendhaft ist?«, fragte ich.
    Wie auf ein Stichwort flog die Tür auf, und Charles Howard stürmte in mein Schlafzimmer. Wild mit einem Holzschwert fuchtelnd, das er zweifellos einem meiner jüngeren Großcousins abgenommen hatte, sprang er auf uns zu. »Keineswegs. Ich werde es Euch gleich beweisen.«
    Ich flüchtete mich ins Bett und zog die Decke hoch.
    »Ah, wieder einmal an der Tür gelauscht, Charles?« Margaret seufzte. »Habt Ihr nichts Besseres zu tun?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Das ist ein langweiliges Haus.« Charles verneigte sich tief und richtete sich mit blitzenden Augen wieder auf. »Ihr bedürft dringend meiner Gesellschaft.«
    Ich erwartete, dass er sich Margaret zuwenden würde, denn sie war hinreißend schön, und die Männer wandten kein Auge von ihr, aber er kam zu mir ans Bett und legte die Hand an den Pfosten.
    »Ich könnte dabei helfen, Euch auf den Umgang mit den Herren bei Hof vorzubereiten«, sagte er lächelnd. »Euch fehlt noch ein wenig die Raffinesse, die Ihr braucht, um die glänzende Partie zu machen, auf die Eure Mutter hofft.«
    »Geht!«, schrie ich und kroch noch tiefer unter die Decken. »Sofort! Sonst rufe ich meinen Vater.«
    Charles lachte, verneigte sich nochmals und ging rückwärts zur Tür. »Ihr habt Eure Chance verpasst«, sagte er mit einer letzten großspurigen Geste. »Gute Nacht.«
    Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, wagte ich mich unter den Decken hervor. »Er ist widerwärtig«, sagte ich.
    »Ach, so übel ist er gar nicht.« Margaret zuckte mit den Schultern. »Er ist der jüngste Sohn in einer sehr großen Familie. Da hat er es nicht leicht.«
    »Wie kannst du ihn nur verteidigen? Er ist einfach ekelhaft.«
    Margaret entgegnete nichts. Sie saß nur da und kaute auf ihrer Unterlippe. Ich wusste, was das bedeutete. Sie hatte etwas vor. Und wenn meine Cousine einmal einen Plan hatte, war es äußerst schwierig, sie davon abzubringen.
    »Joanna, ich habe etwas für dich.« Sie nahm die zarte Halskette mit dem Medaillon ab, die sie immer trug. »Du kennst es?«
    »Natürlich. Dein Vater hat es dir geschenkt. Es stammt von einer Wallfahrt zum Schrein Thomas Beckets in der Kathedrale von Canterbury.«
    »Sehen wir es uns am Feuer an«, schlug sie vor.
    Ich folgte ihr, jetzt wieder ruhig.
    »Ich muss immer an die Geschichte seiner Ermordung denken.«Sie hielt das Medaillon nahe ans Feuer, sodass wir es besser betrachten konnten. Es zeigte vier Männer in Ritterrüstung unter einem dichtbelaubten, ausladenden Baum. »König Heinrich II. hasste den Erzbischof Thomas Becket und rief in seiner Wut auf ihn: ›Will denn niemand mich von diesem umtriebigen Priester befreien?‹ Diese vier Männer fassten das als Mordbefehl auf.« Ich kannte die Geschichte, jedes Kind in ganz England kannte sie, aber als ich sie nun noch einmal aus Margarets Mund hörte, schien sie für sie eine besondere Bedeutung zu gewinnen. »Sie reisten nach Canterbury und verbargen ihre Schwerter unter einem Bergahorn vor der Kathedrale. Dann gingen sie hinein und forderten Thomas Becket auf, mit ihnen hinauszukommen. Er weigerte sich. Da holten sie ihre Schwerter, gingen wieder in die Kirche und schlugen so lange

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