Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
schließlich sprach, setzte er seine Worte gemessen und mit Bedacht. »Ich finde Euch wenig entgegenkommend, Miss Stafford. Es wäre weit besser für Euch, mir, der ich jetzt durch Heirat Euer Verwandter bin, alles zu enthüllen. Der Nächste, der Euch befragt, wird vielleicht weniger Rücksicht auf Eure Herkunft und Euren Stand nehmen.«
Ich presste krampfhaft den Stoff meines Rocks zusammen. Wessen glaubten sie mich schuldig? »Ich habe Euch alles gesagt, was es zu wissen gibt, Durchlaucht«, erwiderte ich.
Was folgte, geschah sehr schnell. Blitzartig riss er den Arm in die Höhe und sprang vom Stuhl. Mit einem scharfen Knall schlug die Gerte auf den Holztisch, nur wenige Fuß von mir entfernt.
»Herrgott! Das reicht.«
Ich rührte mich nicht. Die Kingstons rührten sich nicht. Der Herzog stand wutbebend da. »Gut, Kingston, wir verfahren wie geplant«, sagte er schließlich.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, als die Kingstons diensteifrig aus der Zelle eilten. Auf dem Gang hörte ich Männerstimmen, eine Folge lauter Befehle. Keiner der Wärter blieb zurück. Aber der Herzog blieb. Allein mit mir. Er schritt unter den Fenstern auf und ab, die Brauen zusammengezogen, als dächte er über etwas Unerfreuliches nach.
»Darf ich eine Frage stellen, Durchlaucht?«, fragte ich im bescheidensten Ton.
Sein Blick kehrte zu mir zurück, aber unwillig, ärgerlich.
»Ihr habt von meinem Vater gesprochen«, fuhr ich fort. »Habt Ihr ihn gesehen?«
»Ja«, knurrte er.
»Und wie befindet er sich?«
»Wie er sich befindet?« Der Herzog schwieg einen Moment, dann huschte ein Lächeln über die hageren Züge. »Nun, man könnte sagen, dass er nicht mehr der ansehnlichste Stafford ist.«
Zuerst verspürte ich Schmerz, wie unter einem heftigen Schlag. Dann folgte Zorn und überschwemmte mich in einer gewaltigen Welle. Ich konnte kaum noch atmen, kaum noch sehen und hören.
Wie aus weiter Ferne hörte ich die Tür aufgehen. Sir William kehrte zurück, ohne seine Frau diesmal, und er brachte etwas mit. Der Herzog nahm es ihm ab.
»Miss Stafford, ich habe Euch etwas zu zeigen«, sagte er kurz und legte Margarets Brief auf den Tisch, jenen Brief, den ich auf der Reise nach Smithfield bei mir getragen hatte. Natürlich, sie hatten meine Kleidung durchsucht.
Er las das Schreiben vor. Sein beißender Ton machte jedes von Margaretes Worten zur Farce, ihren Glückwunsch zu meiner Entscheidung, ins Kloster zu gehen, ebenso wie ihre Klage über die Auflösung der Klöster im Norden Englands.
Während er las, musste ich an die Jagd denken. Wenn mein Vater in den Wäldern Wildschweine jagte, begleitete ihn stets eine Gruppe junger Bediensteter. Wildschweine sind nicht so leicht zu erlegen.Sobald mein Vater eines aufgespürt hatte, übernahmen es daher die Bediensteten, einer nach dem anderen das Tier zu hetzen und zu malträtieren, bis es die Orientierung verlor und geschwächt und verängstigt ins Unterholz flüchtete, wo scharfe Waffen, Speere und Messer seinem Leben ein Ende setzten.
Es wurde drückend still im Tower. Ich merkte, dass der Herzog aufgehört hatte zu lesen und, zusammen mit Kingston, auf meine Antwort wartete.
»Ja, ich habe den letzten Brief meiner Cousine nach Smithfield mitgenommen«, sagte ich kalt.
Der Herzog schwang etwas in seiner Hand hin und her: Es war die Halskette mit dem Thomas-Becket-Medaillon, das Margaret mir vor Jahren geschenkt hatte. Ich hatte es am Tag vor meiner Abreise nach Smithfield zur sicheren Aufbewahrung ins Futter des kleinen Beutels in meiner Kleidertasche eingenäht.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte ich ihm den Anhänger aus den faltigen, dünnen Fingern gerissen.
Der Herzog brüllte mich an: »Ihr werdet mir auf der Stelle sagen, wozu Ihr dieses Ding nach Smithfield mitgenommen habt!«
So sündhaft und häufig hinderlich mein leicht entflammbarer Zorn war, jetzt war er mir eine Hilfe. Ich würde nicht vor Thomas Howard kriechen, ganz gleich, was er tat. »Den Anhänger hat meine Cousine mir vor zehn Jahren geschenkt«, sagte ich. »Ich dachte, wenn ich als ihre Verwandte nach ihrem Tod ihre sterblichen Überreste für mich fordern könnte, würde ich sie damit bestatten.«
»Das ist wirklich rührend. Aber wir vermuten, dass etwas anderes dahintersteckt.«
Der Herzog begann wieder auf und ab zu gehen: sechs Schritte von mir weg, dann eine halbe Drehung, sechs Schritte zurück auf mich zu. Kingston wartete
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