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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Frauen eingesperrt«, fuhr sie fort. »Vielleichthaben sie Euch deshalb hierhergebracht. Als König Eduard I.   Geld für seine Kriege brauchte, hat er jüdische Frauen in den Tower verschleppen lassen und dann von ihren Vätern oder Ehemännern Geld verlangt, damit er sie wieder freiließ. Wenn die Männer nicht bezahlen konnten, hat er die Jüdinnen einfach verhungern lassen.«
    »Das ist Sünde.«
    Sie sah mich erstaunt an. »Wieso? Sie waren keine Christinnen. Und sie waren Fremde.«
    Sie gehörte zu der Sorte Engländerinnen, die meine spanische Mutter zutiefst verachtet hatte.
    Durch die Fenster waren laute Männerstimmen zu hören. Bess warf einen Blick hinüber, bevor sie mich wieder ansah. »Ihr müsst mir vertrauen. Ich halte am alten Glauben fest, genau wie Ihr«, versicherte sie. »Ihr seid eine Dienerin Christi, und ich will Euch helfen, so gut ich kann.« Sie zog an einer dünnen Kette, die sie um den Hals trug. »Ich muss Euch etwas zeigen.«
    »Du brauchst mir nichts zu zeigen.«
    Sie zog die Kette unter ihrem Hemd heraus und öffnete das Medaillon daran. »Seht«, sagte sie keuchend vor Aufregung.
    Ich warf einen Blick auf eine braune Haarlocke. »Sie ist von ihr«, flüsterte Bess. »Von Schwester Barton. Sie war vor drei Jahren hier im Tower.«
    Ich starrte auf die braune Locke, Zeugnis der Existenz von Elizabeth Barton, der heiligen Maid von Kent, deren Prophezeiungen die christliche Welt bewegt hatten.
    »Habt Ihr sie gekannt?«, fragte Bess.
    »Nein, sie war Benediktinerin, ich bin Dominikanerin«, antwortete ich vorsichtig. »Sie wurde hingerichtet, noch bevor ich in mein Kloster eintrat.«
    »Ich habe sie gekannt. Ich habe in ihrer Kerkerzelle dreimal mit ihr gesprochen.« Bess glühte vor Stolz. »Sie war die frömmste Frau in England und die mutigste dazu, meint Ihr nicht auch? Den König öffentlich wegen seiner Scheidung anzugreifen!«
    Ich senkte den Kopf. »Sie hat teuer dafür bezahlt.«
    »Ja, sie haben sie aufgehängt. Ich hab’s gesehen.« Bess legte mir die Hand auf die Schultern. »Sie wollen wissen, ob Ihr auch so eine seid.Ob Ihr auch Visionen über den König habt. Ob Ihr deswegen nach Smithfield gereist seid. Ihr habt doch auch gemerkt, wie sehr sich Lady Kingston für Eure Träume interessiert hat.«
    Ich schüttelte ihre Hand ab. »Ich habe keine Visionen. Gott bedient sich meiner nicht auf diese Weise.«
    Wieder waren Männerstimmen von draußen zu hören. Ich lief zu den Fenstern, aber sie lagen zu hoch, ich konnte nicht hinaussehen.
    »Bring mir den Stuhl!«, rief ich Bess zu. »Vielleicht ist das mein Vater oder Geoffrey Scovill.«
    »Um Gottes willen, nein, Ihr könnt doch nicht nur mit einem Hemd bekleidet aus dem Fenster schauen«, entgegnete sie.
    »Man sieht ja nur mein Gesicht.«
    Bess starrte mich zweifelnd an, dann entschied sie sich und zog den Stuhl unter eines der Fenster.
    Ich blickte auf einen grünen Anger und eine Gruppe von Gebäuden hinaus. Das weitaus größte war ein alter weißer Festungsbau. Über den Anger schlurfte ein Zug von sechs Männern mit gefesselten Händen, bewacht von brüllenden Wärtern.
    »Da werden gerade Gefangene weggeführt«, berichtete ich.
    »Ja, es sollen wieder Rebellen aus dem Norden zu ihrer Hinrichtung nach Tyburn gebracht werden«, sagte Bess, die neben mir stand. »Könnt Ihr Sir William und Lady Kingston sehen?«
    Ich blickte suchend über den Anger, bis ich das pompöse Paar entdeckte. »O ja.«
    »Er war früher Wärter hier, wusstet Ihr das?«, bemerkte Bess. »Der König hat ihn ein Dutzend Mal befördert. Er tut alles, was ihm befohlen wird. Am Tag, an dem sie Sir Thomas Morus hingerichtet haben, hat Sir William geweint. Er war sein Freund. Aber er hat ihn trotzdem zum Schafott geführt.«
    Meine Aufmerksamkeit galt den Gefangenen. »Kennt Ihr diese Männer?«, fragte ich. »Könnte einer von ihnen Sir John Bulmer sein?«
    »Das weiß ich nicht, Miss. Aber Sir John ist ein großgewachsener Mann mit weißem Bart.«
    Ich sah mir die Gefangenen genauer an. Ein Mann, auf den diese Beschreibung passte, stand fast am Ende des Zugs. Ich war überrascht– er musste an die sechzig Jahre alt sein. Doppelt so alt wie Margaret. Dennoch, dies war der Gatte, den sie so herzlich geliebt hatte. Bald würden beide in Gottes Gnade vereint sein.
    Ein Pferd wieherte plötzlich hinter den Kingstons. Ich sah Lady Kingston knicksen. Das Pferd trabte langsam am Zug der Gefangenen entlang, und als ich den Mann im Sattel musterte, erschrak

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