Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Ihr seid noch Novizin, hm? Und das war vielleicht Eure letzte Chance auf einen Mann. Er ist ja auch ein ansehnlicher Bursche, der Ehre durchaus wert.«
Geoffrey ließ sich provozieren. Mit zornblitzenden blauen Augen riss er sich vom Hauptmann los und näherte sich. Gleich würde er den Herzog von Norfolk herausfordern, und für einen Mann seines Standes wäre das eine nicht wiedergutzumachende Dummheit gewesen.
»Ihr irrt, Durchlaucht«, sagte ich in festem Ton und trat auf den Herzog zu, um Geoffrey den Weg abzuschneiden. »Ich hatte mit diesem Mann nichts zu schaffen. Wie könnte es auch anders sein? Ihr seht doch, was er ist. Ein Mann aus dem niederen Volk. Niemals würde ich mich mit so einem Menschen gemeinmachen. Ihr selbst habt darauf hingewiesen, dass ich aus edler Familie stamme, eine Nachfahrin der Plantagenet-Könige bin. Er ist nur ein Wurm.«
Ich wandte mich wieder Geoffrey zu. Er stand da wie versteinert, Ungläubigkeit in den feuchten Augen. Aber ich konnte nichts tun oder sagen, konnte ihm keinen noch so feinen Wink geben, um ihm zu zeigen, dass ich dies alles nur gesagt hatte, um ihn zu entlasten.
»Schafft ihn weg, Hauptmann, und fort aus dem Tower mit ihm«, sagte der Herzog, als spräche er von einem Bündel alter Kleider.
Ich war erleichtert, als Geoffrey hinausgeführt wurde, aber der Sieg war teuer erkauft. Meine Lügen hatten ihm Schmerz bereitet, und ich würde ihm niemals eine Erklärung geben, niemals Abbitte leisten können.
Ich vernahm ein merkwürdiges Fiepen und drehte mich verwundert um. Es waren die pfeifenden Atemgeräusche des lachenden Herzogs.
»War einen Versuch wert, wie, Kingston?«, fragte er.
»Ja, Durchlaucht«, antwortete Sir William.
Mir stockte einen Moment der Atem, als ich begriff. »Ihr wusstetschon, bevor Ihr ihn hierherbringen ließt, dass Geoffrey Scovill nichts getan hatte. Ihr wolltet nur sehen, wie wir auf beleidigende Fragen antworten würden.«
Kingston sah verlegen zur Seite. Der Herzog sagte ohne den geringsten Anflug von Bedauern: »Ich hatte ihn bereits überprüfen lassen, ja. An seinem Verhalten gab es nichts Ernsteres zu bemängeln.«
Heiße Röte schoss mir ins Gesicht. So ruhig, wie es mir möglich war, sagte ich: »Ich habe nichts Unrechtes getan. Man kann mir weder Verrat noch Verschwörung vorwerfen, Durchlaucht. Es mag töricht von mir gewesen sein, nach Smithfield zu reisen, und ebenso töricht, mit meinem Vater Verbindung aufnehmen zu wollen, aber mehr war es nicht. Ihr habt kein Recht, mich oder sonst jemanden, der mir verbunden ist, zu peinigen oder zu verletzen. Ich kenne die Gesetze dieses Landes. Entweder Ihr stellt mich vor Gericht oder Ihr lasst mich frei.«
Der Herzog machte ein böses Gesicht, aber er griff weder zur Gerte noch ließ er sich zu einem neuen Wutausbruch hinreißen. Ich wagte es kaum zu hoffen, aber vielleicht hatte ich gesiegt und würde wie Geoffrey in Freiheit gesetzt werden.
Draußen klopfte es.
Kingston ließ den Hauptmann ein, der mit einem Bündel Briefe sofort zum Herzog eilte. In eine Ecke zurückgezogen, ließen die drei Männer verschiedene Dokumente zwischen sich hin und her gehen.
Als der Herzog sich wieder mir zuwandte, brannte neues Feuer in seinen Augen.
»Nachdem ich gehört hatte, dass Ihr in Smithfield festgenommen worden wart, Miss Stafford, fiel mir ein, was meine Frau mir einmal von Euch erzählt hatte. Vor zehn Jahren, wenn Ihr es genau wissen wollt. Sie berichtete mir, dass Ihr in die Dienste Katharinas von Aragón treten würdet. Da Eure Mutter in ihrem Gefolge aus Spanien hierhergekommen sei, meinte sie, sei es nur recht und billig, dass Ihr, als ihre einzige Tochter, die Tradition weiterführen würdet. Man habe Euch bewilligt, bei Hof Wohnung zu nehmen. Bin ich da korrekt unterrichtet?«
Mein Mund war staubtrocken. Ich konnte nur nicken.
»Und was ist passiert, Miss?«
Ich sagte nichts. Die übelsten Beschimpfungen und die schlimmste Folter würden mich nicht dazu bringen, preiszugeben, was vor zehn Jahren an jenem einzigen Tag meines Dienstes am königlichen Hof geschehen war.
»Ihr konntet nicht bestehen, wie? Aus irgendeinem Grund war man bei Hof nicht zufrieden mit Euch. Und daraufhin seid Ihr nach Stafford Castle zurückgekehrt. Ist das richtig?«
Ich nickte wieder, tief erleichtert, dass er nicht weiter in mich drang.
»Und wie ist es dann weitergegangen mit Euch?«
»Ich habe mich um meine Mutter gekümmert. Sie war oft krank.« Zwei Sätze, die mein Leben in diesen
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