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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ich zutiefst. Er war alt, älter als Sir William Kingston und Sir John Bulmer, aber er saß zu Pferd wie ein junger Recke. Die Wärter verneigten sich tief.
    Unerwartet blickte der Reiter herüber. Er war ein gutes Stück entfernt, gleichwohl trafen sich unsere Blicke, und ich sah ihn innehalten, als er mich erkannte. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und riss es herum. Ich sprang stolpernd vom Stuhl.
    »Wen habt Ihr noch gesehen?«, fragte Bess.
    Ich hatte den Mann gesehen, der die Truppen des Königs zum Sieg über die Rebellen im Norden geführt hatte; dem meine Cousine Elizabeth in unglücklicher Ehe verbunden war; den höchsten Peer des Königreichs.
    »Den Herzog von Norfolk«, antwortete ich. »Und ich vermute, er ist auf dem Weg zu mir.«

Kapitel 7
    Thomas Howard, der dritte Herzog von Norfolk, war schon wütend, bevor er mir von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat.
    Ich hörte seine polternden Schritte draußen vor meiner Kerkerzelle. Gleich darauf flog die Tür auf, er stieß den Wärter, der ihm aufgesperrt hatte, zur Seite und stürmte herein. »Was tut sie hier, Kingston?«, fauchte er gereizt, den Kopf nach hinten gewandt.
    Sir William und Lady Kingston, die ihm beflissen gefolgt waren, blieben an der Tür stehen, sichtlich bedacht drauf, ihm nicht zu nahe zu kommen.
    »Gegenwärtig gibt es nur wenige freie Räume im Tower, Durchlaucht«, erklärte Sir William aus sicherer Entfernung.
    »Ich musste an einer gottverfluchten Löwengrube vorbei, um hierherzugelangen«, entgegnete der Herzog. »Es ist mir gleich, wen Ihr hättet verlegen lassen müssen und wohin, niemals hätte Miss Stafford in einer elenden Menagerie eingesperrt werden dürfen.«
    Ich kannte ihn, ganz England kannte ihn als einen Mann von aufbrausender Gemütsart, der sich leicht zu Wutausbrüchen hinreißen ließ. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass solche Unbeherrschtheit auch einer meiner schlimmsten Charaktermängel war. Meine Mutter hatte mich dafür gescholten; in Dartford hatte unsere Priorin deswegen mit mir um Besserung gebetet. »Demütig und fest im Glauben, demütig und fest im Glauben«, flüsterte ich lautlos, mit gesenktem Kopf, immer wieder die Worte der heiligen Katharina von Siena vor mich hin.
    Der Herzog trat in die Mitte des riesigen Raums. Ängstlich und unsicher blieb ich, wo ich war, an der Wand unter den Fenstern. Der Stuhl, den ich benutzt hatte, um hinauszusehen, stand wieder an seinem Platz beim Tisch.
    Ich bemerkte die schmucklose Reitkleidung des Herzogs, seine verschmutzten Stiefel, die zitternde Reitgerte in seiner rechten Hand, ehe ich endlich den Kopf hob und ihm ins Gesicht sah. Er ließ seinen Blick mit finsterer Miene über die steinernen Mauern schweifen, den nackten Fußboden, den Strohsack in der Ecke, dann erst richtete er ihn auf mich.
    Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, versank ich in einem tiefen Hofknicks und verharrte, den Nacken so stark gebeugt, dass mein Kinn das Brustbein berührte, eine Sekunde lang in dieser Haltung.
    Als ich mich wieder aufrichtete, war der Herzog näher getreten. Er sah weit älter aus als bei unserer letzten Begegnung: das dunkle Haar dicht mit Weiß gesträhnt, die Haut des schmalen Gesichts schlaff und faltig. Nur seine Augen, deren Blick abschätzend über mich hinglitt, waren jung geblieben. Diese schwarzen Augen voll jugendlichen Feuers waren ein verwirrender Anblick in dem ausgelaugten Gesicht.
    Natürlich zeigten sie Wiedererkennen; der Herzog und ich wareneinander ja ein halbes Dutzend Mal begegnet. Ich bemerkte aber auch Missbilligung, und mir wurde peinlich bewusst, wie schäbig ich aussehen musste in dem abgetragenen grauen Rock mit dem hässlichen Mieder, das mir viel zu groß war und unter den Armen die Schweißflecken einer anderen trug. Bess hatte es nicht einmal ordentlich schnüren können, bevor sie Hals über Kopf aus meiner Zelle gerannt war. Die Zeit hatte nicht gereicht, um meine Haare zu machen, in wirren Locken fiel es mir über Schultern und Rücken.
    »Man könnte sie für eine gemeine Magd halten«, zischte der Herzog. »Kingston, was soll das? Sie ist seit zwei Tagen eingekerkert. Warum sieht sie so verwahrlost aus? Diese Frau stammt von König Eduard III. ab.«
    Sir William entschuldigte sich mit einer Verbeugung, und seine Frau knickste, jedoch nicht, bevor sie mir einem grollenden Blick zugeworfen hatte. Ich war schuld an ihrem und ihres Mannes Ungemach, und dafür würde ich zweifellos noch büßen.
    Mit einem

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