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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Eile mir zu Hilfe, höre auf meine Stimme, wenn ich zu dir rufe. Beschütze mich jetzt und immerdar. Amen.‹«
    »Das war schön«, flüsterte Bess.
    Ich lächelte traurig. »Mit diesen Worten betete der heilige Dominikus, der Gründer meines Ordens.«
    »Miss, ich bete darum, dass ich Euch nicht enttäusche.«
    »Du hast schon mehr für mich getan als jeder andere seit   …« Geoffrey Scovills Gesicht tauchte vor mir auf, der Schmerz über meine Zurückweisung in seinem Blick und die letzten Worte, die er von mir zu hören bekommen hatte. Sinnlos, jetzt darüber nachzudenken. Ich schob die Erinnerung weg.
    »Gehen wir weiter, Bess.«
    Wir stiegen die Treppe hinauf. Oben sperrte Bess die Tür zum White Tower auf, und wir traten in eine riesige Halle. Das Licht der Kerze erreichte nicht einmal die hintere Wand. Es war totenstill. Ich wusste, dass Sir William und Lady Kingston private Gemächer im White Tower bewohnten, dass hier die in Ungnade gefallene Nichte des Königs, Lady Margaret Douglas, untergebracht war und unten, in den Kerkern, vielleicht neben meinem Vater noch weitere Männer festgehalten wurden. Aber in der gespenstischen Stille dieses weiten Raums schien es, als wären wir die Einzigen auf der Welt.
    Bess und ich eilten über den Steinfußboden. Die Luft war hier viel kühler als in den feuchten unterirdischen Gängen; ein leichtes frisches Lüftchen strich über meinen bloßen Nacken, obwohl ich nirgends ein Fenster ausmachen konnte. An der Art, wie die massige Mauer nach außen vorsprang, erkannte ich, dass wir uns hinter einem Wehrgang befanden. Beinahe glaubte ich, den mächtigen Geist des Mannes zu spüren, der diesen gewaltigen Turm geschaffen hatte: die Größe, aber auch die Furcht und die Besitzgier Wilhelm des Eroberers. Er hatte diese Festung vor fünfhundert Jahren erbaut, um seinen Normannenstolz zu bewahren und gegen die Sachsen zu verteidigen. Dieser gewaltige Raum musste ein Bankettsaal oder eine Empfangshalle gewesen sein. Mich gruselte bei dem absurden Gedanken, dass gleich der Eroberer selbst in klirrender Rüstung aus den Schatten hervortreten würde.
    Wir durchschritten ineinander übergehende Gewölbe, durch deren größere Fenster Mondlicht einfiel. Am Ende eines dieser Räume konnte ich ganz schwach rotgoldenen Lichtschein erkennen, nicht vom Mond oder von der Kerze erzeugt. Ich zupfte Bess am Ärmel. »Das ist die Kapelle«, erklärte sie kurz, ohne anzuhalten. Es mussten die Farben der bemalten Fenster sein, die so leuchteten. Nur zu gern wäre ich in die Kapelle hineingegangen und hätte Gottes Hilfe erfleht, aber dazu war natürlich keine Zeit.
    Einige Minuten später sah ich in der Ferne wieder Licht flackern, stärker als das einer Kerze, von einer Fackel ausgehend, die in einem Halter an der Mauer steckte. An der Art, wie Bess vor mir die Schultern straffte, erkannte ich, dass wir unser Ziel fast erreicht hatten. Mein Herz begann, schneller zu schlagen.
    Unter der Fackel standen ein Stuhl und ein Tisch. Ich hörte Schritte, und gleich darauf kam ein Wärter in Sicht, ein großer Mann mit langem schwarzem Bart.
    »Hallo, Tom«, rief Bess.
    Ich hob den Wäschestapel höher.
    »Bess, was tust du denn hier? Dich sieht man doch sonst nie hier unten.« Toms Ton war freundlich.
    »Wir müssen dem adligen Herrn im Südgang frisches Bettzeug bringen«, antwortete sie.
    »Heute Abend noch?«
    »Der Herzog von Norfolk will ihn morgen verhören. Er hat eine empfindliche Nase, das weißt du doch.«
    Tom sagte nichts. Ich wagte kaum zu atmen und hielt den Blick auf den leeren Stuhl gerichtet, um Tom nicht ansehen zu müssen.
    »Donnerwetter, ist das Susanna?«, platzte er plötzlich aufgeregt heraus.
    Ich stand wie erstarrt.
    Ich hörte die Anspannung in Bess’ Stimme. »Ich wusste gar nicht, dass du ein Freund von Susanna bist.«
    »Ich hab dich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen; du verkriechst dich wohl im Beauchamp, junge Frau?«
    Ich schwieg und rührte mich nicht.
    »He, warum redest du nicht mit mir?« Tom trat einen Schritt näher. »Bist du mir immer noch böse wegen der Sache beim Maitanz?«
    Ich senkte den Wäschestapel. Der Fackelschein fiel warm auf mein Gesicht.
    »Nein«, antwortete ich leise.
    Zitternd unter dem forschenden Blick seiner braunen Augen, sah ich ihn an und versuchte zu lächeln.
    Zu meiner Überraschung lächelte er ebenfalls. Vorn fehlten ihm zwei Zähne. »Hübsch siehst du aus, Susanna.«
    »Wir müssen an die Arbeit, Tom«, sagte Bess. Ihre

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