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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ohne deine Zustimmung manifestieren.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Dann laß es mich mal so erklären. Vor hundert Jahren bestand kein großer Unterschied zwischen dem Sheriff und dem Revolvermann. Beide verdienten sich den Lebensunterhalt mit dem Revolver. Der einzige Unterschied bestand darin, daß der eine den Revolver benutzte, während der andere von ihm benutzt wurde.«
    Travis starrte sie an. Deirdre konnte unmöglich verstehen, wie es war – wie es sich anfühlte, wenn einen die Macht durchfloß und aus einem herausströmte, um andere zu vernichten.
    »Es tut mir leid, Travis. Ich wollte dich nicht belehren. Außerdem sind unsere Schattenselbst nicht immer böse. Manchmal können auch die Ungeheuer Helden sein. Nimm nur Die Schöne und das Biest.«
    Er hob den Kopf und schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Verdirb mir nicht den Spaß, ja?«
    Sie trank einen Schluck Kaffee, aber die Tasse konnte ihr Grinsen nicht ganz verbergen.
    Travis stand auf. »Ich sollte zu meinen Gästen zurück.«
    Deirdre legte den Kopf schief. »Deine Gäste? Bist du hier jetzt der Besitzer?«
    »Seit Andy Connell vor ein paar Jahren gestorben ist.«
    »Nun, dann sollte ich mal lieber versuchen, deinen Laden in Schwung zu bringen.« Deirdre hob ihre Mandoline auf und strich über die Saiten. »Danke für das Engagement, Travis. Du bist ein nettes Ungeheuer.«
    Er lachte laut. »Oh, so weit würde ich nicht gehen.«
    Ihre einzige Reaktion bestand aus einem rätselhaften Lächeln, das ihm den ganzen Weg zurück zur Bar nicht aus dem Sinn ging.

5
    Die Nachricht, daß Deirdre Falling Hawk wieder im Mine Shaft war, mußte sich rasend schnell verbreitet haben, denn gegen Sonnenuntergang drängten sich Leute im Saloon, die aus dem ganzen Tal zusammengekommen waren, um ihrer Musik zuzuhören. Travis beobachtete Deirdre von seinem Platz hinter der Bar. Er dachte an einen anderen Barden, den er kennengelernt hatte, an einem Ort, der weit von hier entfernt war, und die Erinnerungen ließen ihn lächeln, auch wenn es durchaus ein trauriger Ausdruck war. Kein Tag verging, an dem er nicht an Falken, Melia, Grace und all die anderen dachte, die er auf Eldh kennengelernt hatte.
    Aber das war nicht die Wahrheit, oder? Denn in letzter Zeit hatte es Tage gegeben, an denen er abgelenkt durch die Anforderungen des Geschäfts nicht einmal an Eldh gedacht hatte. Würde er es eines Tages ganz vergessen haben? Oder sich davon überzeugt haben, daß alles nur die gequälten Halluzinationen eines Mannes gewesen war, der seinen besten Freund verloren hatte – die unwiderstehliche und realistische, aber völlig verrückte Konstruktion einer Person, die zwei Monate lang in einem Nebel aus Trauer umhergewandert war, die versucht hatte, etwas eine Art Sinn zu verleihen, das niemals Sinn machte?
    Die warmen Klänge von Deirdres Mandoline endeten in lautem Applaus. Travis ließ den Blick durch den überfüllten Saloon schweifen und schüttelte den Kopf. Es stimmte nicht, daß man nie wieder nach Hause kommen konnte. Es war bloß so, daß das Zuhause nie mehr so war, wie man es verlassen hatte. Wie konnte Dorothy jemals wieder die nackte, schwarzweiße Farblosigkeit von Kansas ertragen, nachdem sie über die technicolor-farbenen Straßen von Oz getanzt war? Nur daß er sein Zuhause liebte, mit all seiner Farblosigkeit und allem anderen.
    Er lächelte wieder, und diesmal lag echte Belustigung darin. Max kam aus dem Lagerraum, mit zwei Gestellen Biergläsern überladen. Travis nahm ihm eines ab. Der Klang der Mandoline ertönte erneut, einen Augenblick später von Deirdres melodischer Stimme begleitet:
    »Wir leben unser Leben, als wär’s ein Kreis, wir wandern drauflos und voraus.
Dann, nach Feuer und Staunen,
enden wir wieder dort, wo alles begann.
 
Ich reiste südwärts,
im Süden weinte ich.
Dann reiste ich nordwärts,
dort, ich vergaß es nie, lachte ich.
 
Eine Zeitlang verweilte ich
im östlichen Lande des Lichts,
bis ich weiter nach Westen reiste
allein in schattenerfüllter Nacht.
 
Zur Frühlingszeit ward ich geboren,
im Sommer wurde ich stark.
Aber der Herbst dämpfte mein Augenlicht,
damit ich den langen Winter schlief.
 
Wir leben unser Leben, als wär’s ein Kreis,
wir wandern drauflos und voraus.
Dann, nach Feuer und Wundern,
enden wir wieder dort, wo alles begann.«
    Travis ließ das Gestell mit den Gläsern fallen; einige zerbrachen. Der Applaus des Publikums fiel nur kurz aus, als sich Gäste herumdrehten, um nach der Quelle des Lärms

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