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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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leichtere Kleidung eingetauscht. Sie fürchtete sich nicht davor zu schwitzen. Aber es gab andere, für die die Hitze nicht so verträglich sein würde. Rancher und ihre Herden. Die Gebrechlichen und die Älteren. Wenn diese Hitzewelle anhielt, würde sie diesen Hügel noch öfters hinauffahren müssen.
    Jace kontrollierte den schwarzen Kasten auf dem Beifahrersitz, um sich zu vergewissern, daß er nicht in den Kurven umherwanderte. Die Asche eines John Does zum Zwecke der Beerdigung zum Friedhof zu bringen gehörte nicht zu ihrem Aufgabengebiet, aber Kyle Evans, der Leichenbeschauer von Castle County, hielt sich im Augenblick in New Jersey auf, wo er seine Mutter beerdigen mußte, also fiel Jace die Aufgabe zu, dafür zu sorgen, daß der Unbekannte seinen letzten Ruheplatz bekam. Nicht, daß es Jace gestört hätte. Zu schützen und zu dienen. Das war der Schwur, den sie vor zwei Jahren an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag vor Sheriff Dominguez abgelegt hatte. Und soweit es Jace betraf, gehörte alles, das einer anderen Person half, zu ihrem Aufgabengebiet.
    Sie lenkte den Kombi um eine scharfe Kurve; der Blick hinter der grünen, in einem Drahtgestell eingefaßten Ray-Ban-Sonnenbrille blieb auf die Straße gerichtet. Sie nahm alle Kurven mit exakt der Geschwindigkeit, die auf den gelben Straßenschildern stand, und steuerte den Kombi mit präzisen Bewegungen ihrer kleinen, starken Hände. Sie tat das, weil es die richtige Art und Weise war, ein Fahrzeug zu steuern. Es gab auf dieser Welt immer nur eine richtige Weise, alles zu tun, und Jace hielt sich daran.
    Obwohl sie an jedem Tag Menschen begegnete, die das Gesetz brachen, konnte sie sie nicht verstehen. Einige schrien sie an oder belegten sie mit Flüchen, wenn sie ihnen einen Strafbefehl ausstellte oder Handschellen anlegte, brüllten, daß die Gesetze sie unterdrückten, während andere wiederum weinten und schluchzten, daß die Gesetze einfach nicht fair waren. Aber Jace wußte, daß sie nicht recht hatten. Eine Welt ohne Regeln war eine Welt ohne Bedeutung. Gesetze schränkten nicht ein. Sie ermöglichten Dinge wie Glück, Trost und Schönheit. Künstler malten, indem sie Farbe und Perspektive benutzten. Musik basierte auf Mathematik. Die Gesetze der Physik verhinderten, daß die Menschen vom Planeten ins Weltall trieben.
    Deputy Windom wurde nur selten von Träumen heimgesucht, aber ein Traum, den sie gelegentlich hatte, erschütterte sie bis ins Mark. Sie träumte, sie sei in einem kleinen Boot, das auf einem großen Ozean umhergeworfen wurde, der weder hell noch dunkel, flüssig noch fest war. Dann kam eine Welle, die das Boot zerstörte. Sie versuchte sich schwimmend in Sicherheit zu bringen, aber es war unmöglich festzustellen, wo oben war. Jace wachte dann immer keuchend auf und starrte eine Stunde lang in die Nacht, betrachtete die harten Konturen vom Bett und den Wänden und dem Boden, bevor sie die Augen wieder schließen und einschlafen konnte.
    Eine geordnete Welt, das konnte Jace verstehen, aber die Welt, die sie in ihrem Traum sah, das große Meer aus Chaos …
    Alles, was ihr dazu einfiel, war, daß das die Welt gewesen sein mußte, die ihr Vater an dem Tag erblickt hatte, an dem sie aus der fünften Klasse von der Schule nach Hause gekommen war und ihn in der Garage gefunden hatte, wo er an einem Balken hing.
    Die Straße verwandelte sich in einen Schotterweg. Jace paßte ihre Geschwindigkeit dem Untergrund an und feuerte den Wagen um die letzten paar Kurven. Sie stoppte auf dem Parkplatz, nahm den Kasten mit der Asche und stieg aus.
    Mit dem Friedhof Castle Heights war nicht mehr viel los. Nicht, daß es je anders gewesen wäre. Während der letzten hundertunddreißig Jahre hatten die meisten Bewohner Castle Citys ihre Lieben zu den schöneren und teureren Friedhöfen Denvers schaffen lassen, wenn die Zeit für den großen Schlaf gekommen war. Unkraut überwucherte anonyme Gräber, deren hölzerne Gedenkzeichen schon lange zerbrochen waren, die Grabhügel wurden von wilden Himbeersträuchern bedeckt, die wie dornige Leichentücher aussahen. An anderen Stellen ragten Grabsteine schief aus dem Boden, so als würde der ganze Ort jeden Augenblick den Hügel für ein letztes Begräbnis ins Tal herunterrutschen.
    Jace warf einen Blick auf den Kasten in ihrer Armbeuge. Es gefiel ihr nicht, wenn Fälle so endeten, wenn es nicht einmal einen Namen gab, den man auf das Gedenkzeichen schreiben konnte. Aber von dem Mann war nichts übriggeblieben,

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