Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
sein, und sie wird Fortschritte erwarten.«
Aryn wandte sich von dem Fenster ab, zog den Holzständer, der ihren Stickereireifen hielt, näher an sich heran und gab sich alle Mühe, so zu tun, als wäre das Aufsticken von Einhörnern viel faszinierender, als Tüten mit gezuckerten Nüssen zu kaufen, über die Kunststücke dressierter Affen zu lachen und Männern zuzusehen, die Messer verschluckten und Feuer spuckten.
Aryn von Elsandry, du solltest wirklich dankbarer für deine Langeweile sein, schalt sie sich. Wo sind denn jetzt Grace und Freisasse Travis und Lord Beltan? Sitzen sie in einem sicheren Schloss auf einem bequemen Stuhl mit einem Becher gesüßten Weins in Reichweite?
Sie seufzte, und Lirith schaute mit einem besorgten Ausdruck auf ihrem Gesicht auf.
»Ich bin sicher, es geht ihnen gut, Schwester. Sie sind in ihre Heimat gereist. Und niemand verfügt über solche Heilkräfte wie Lady Grace. Vermutlich erzählt Sir Beltan in diesem Augenblick schlüpfrige Witze und trinkt Ale.«
Aryn wünschte sich, sie hätte so viel Fantasie.
Ein Monat war vergangen, seit sie von Königin Inara die Erlaubnis zur Abreise erbeten und von Schloss Spardis aufgebrochen waren. Sie hatten den Regierungssitz von Perridon in einem guten Zustand zurückgelassen. Die junge Königin hatte sämtliche Proklamationen des Usurpatoren Dakarreth außer Kraft gesetzt und mit Hilfe des Spinnenmannes Aldeth – der sich zügig von seiner Verletzung erholte – ihre Position als Regentin ihres minderjährigen Sohnes, Prinz Perseth, gefestigt. Auch wenn weiterhin Verschwörungen gegen die Königin geschmiedet werden würden – schließlich war hier die Rede von Perridon –, ging Aryn davon aus, dass Inara lange und gut regieren würde.
Nach nur einem Reisetag hatten sie sich von Melia und Falken verabschieden müssen, da der Barde und die Lady nach Norden reisen wollten, um ihren Freund Tome aufzuspüren – der wie Melia ein ehemaliger Gott war. Aryn hätte den alten Mann mit den goldenen Augen gern wieder gesehen; er hatte die Gabe gehabt, sie zum Lachen zu bringen, ganz egal, wie traurig sie auch war. Aber Inara hatte bereits Boten zu Ivalaine geschickt. Aryn und Lirith wurden auf Ar-Tolor erwartet, und Durge hatte sich bereit erklärt, sie dorthin zu eskortieren.
Obwohl Lirith zu einer Freundin und Lehrerin geworden war und Durge stets angenehme, wenn auch stille Gesellschaft bot, war ihr der Ritt durch Perridon und Toloria einsam erschienen. Grace und Travis waren in der Hoffnung, die Wunden des Ritters heilen zu können, mit Beltan auf ihre Welt zurückgekehrt. Melia und Falken gingen ihre eigenen Wege. Selbst Tira war weg.
Obwohl das so nicht stimmte. Manchmal, wenn Aryn in der grauen Morgendämmerung erwachte, konnte sie tief am Südhimmel einen Stern so rot wie ein Feuer entdecken. Sie konnte noch immer nicht ganz begreifen, was genau eigentlich auf Spardis geschehen war, als Travis Tira den Stein des Feuers gegeben hatte. Aber Melia hatte behauptet, dass das kleine rothaarige Mädchen nun eine Göttin war, und die Lady musste es ja wissen. In gewisser Weise würde Tira wohl immer bei ihnen sein.
Sie hatten Ar-Tolor ohne Schwierigkeiten erreicht, und Aryn war erleichterter als erwartet gewesen, als sie die sieben Türme erblickte, die sich über den jadegrünen Feldern erhoben. Königin Ivalaine hatte sie mit einem seltenen Lächeln willkommen geheißen und sofort einen Mann nach Calavere geschickt, um König Boreas zu informieren, dass Aryn eine Zeit lang am Hof von Ar-Tolor bleiben würde.
»Ihr werdet Euren Unterricht mit Schwester Lirith sofort weiter fortführen«, hatte Ivalaine an diesem ersten Tag im Schloss gesagt, und Aryn hatte keine Einwände gehabt.
Die seitdem vergangenen Wochen waren angenehm gewesen – Spaziergänge auf dem Schlossgelände, Nähen unter Tressas Aufsicht, mit der Gabe die Magie der Weltenkraft zu flechten, während Lirith ihr leise Anweisungen ins Ohr flüsterte. Und wenn das alles verglichen mit ihrer verzweifelten Reise nach Osten zur Flammenfestung manchmal langweilig erschien, wusste Aryn genau, dass sie für diese Routine hätte dankbar sein sollen.
Nachdem der Nekromant Dakarreth und seine Geißel des Feuers ein Ende gefunden hatten, hatte sich das Land viel schneller wieder erholt, als sie jemals geglaubt hätte. Saat war schnell ausgesät worden und gedieh unter dem goldenen Sonnenlicht und dem sanften Regen. Der Keldath war nun fast vorbei, und es würde dieses Jahr eine
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