Die letzte Schoepfung
müssen wir ja mit Mulligan reden.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Mir gefällt das alles genauso wenig wie dir, aber wir müssen wenigstens herausbekommen, was auf dieser Insel vor sich geht. Und mit Mulligan fangen wir an.«
»Ich weiß nicht, Ethan…«
»Wir haben keine andere Wahl.«
»Das stimmt nicht, wir könnten…«
»Sie der Polizei übergeben? Willst du das wirklich, Sydney?« Er hatte gewusst, dass sie seine Entscheidung infrage stellen würde, und war darauf vorbereitet, sie zu überzeugen, selbst wenn er ihren Mutterinstinkt ausnutzen musste. »Nach allem, was Danny uns über diese Insel erzählt hat? Willst du's darauf anlegen, dass die beiden so enden wie ihre verschwundenen Freunde?«
Sydney schüttelte den Kopf. »Wir wissen doch nicht, ob…«
»Das stimmt, wir können es nicht wissen.«
Sydneys Verlangen, den Kindern zu helfen, hatte zur Konsequenz, dass sie ihm, Ethan, dann vertrauen musste – und er wusste, das ihr dies gegen den Strich ging. Er konnte es ihr nicht einmal verdenken. Hätte er Sydney aus dem Spiel lassen können, ohne dabei ihr Leben zu riskieren, hätte er es liebend gern getan. Aber Ramirez lauerte irgendwo da draußen, und Ethan konnte sich nicht darauf verlassen, dass das Interesse des Killers an Danny und Callie groß genug war, um Sydney in Ruhe zu lassen.
Obwohl er sich dabei mies vorkam, spielte er seine Trumpfkarte aus. »Und vergiss nicht, Anna ist gestorben, weil sie die Kinder zu mir brachte.«
Sydney starrte ihn an, wütend über diesen Versuch, sie zu beeinflussen. Doch Ethan las in ihrem Blick auch die Erkenntnis, dass er Recht hatte.
»Was schlägst du also vor?«, fragte sie.
»Wir warten, bis es dunkel ist, und fahren nach Illinois. Das sind ungefähr zwölfhundert Kilometer. Wenn wir durchfahren, können wir es bis morgen Mittag schaffen.« Er hielt kurz inne, weil ein weiteres Geheimnis ihm zu schaffen machte. »Aber es gibt da noch etwas, das du wissen musst«, fuhr er fort und ließ sich auf einem Baumstamm nieder. »Setz dich. Es ist nicht nur Ramirez, der mir Sorgen macht.«
Sydney sah ihn starr an.
»Nun komm schon.« Er nickte zu dem Stamm hin. »Setz dich.«
Sie kam der Aufforderung nach, hielt aber Abstand, als würde es sie schmerzen, ihm zu nahe zu kommen. Und vielleicht war es ja auch so.
Derweil suchte Ethan nach passenden Worten. Es würde ihm unendlich schwer fallen, Sydney zu gestehen, dass er sie die ganze Zeit belogen hatte. Er hob einen Zweig auf, brach ihn entzwei und warf ihn wieder zu Boden. »Als wir noch zusammen waren, habe ich dir nie die Wahrheit erzählt, was ich wirklich in der Firma getan habe…«
Sydney saß da wie eine Statue. »Weiter.«
Meine Güte, wie schwer das fiel! »Ich war nicht im DI.« Das DI war der nachrichtendienstliche Arm der CIA. »Ich habe nicht am Schreibtisch gearbeitet.« Ethan hielt inne, bereitete sich auf ihre Reaktion vor. »Ich war Offizier für ganz bestimmte Einsätze. Beim SCTC, der Antiterroreinheit.«
»Einsätze?«
Er sprudelte die nächsten Worte hervor, da er fürchtete, sie sonst nicht mehr herauszubekommen. »Es gab nicht viele Leute, die von der Existenz des SCTC wussten, nicht einmal bei der CIA selbst.« Er verlagerte sein Gewicht, beugte sich vor und legte die Arme auf die Knie. »Es ist eine Abteilung, die sich hauptsächlich auf kleine Einsatzgruppen stützt. Sie wurde nach dem Modell der alten Antiterroreinheit geformt, arbeitet aber verdeckt und besitzt mehr Schlagkraft. Doch wie sein Vorgänger zieht auch das SCTC seine Leute von den anderen analytischen Abteilungen ab – vom Nachrichtendienst, von Wissenschaft und Technologie.« Er unterbrach seinen Wortschwall, schaute ihr forschend ins Gesicht und erkannte, dass er ihre unausgesprochene Frage noch nicht beantwortet hatte.
»Ja«, sagte er. »Ich habe Spezialeinsätze durchgeführt. Mein Team war darauf spezialisiert, Flüchtige zu finden und zu ergreifen. Manchmal haben wir auch Rettungseinsätze unternommen, aber meistens haben wir weltweit gesuchte Terroristen oder Revolutionäre gejagt – Personen, die außerhalb der Legalität operierten. Wen immer die Mächtigen als eine Bedrohung ansahen.«
Wieder hielt Ethan inne und wartete. Er hoffte, Sydney würde etwas sagen, irgendetwas. Aber den Gefallen tat sie ihm nicht. Sie machte den Eindruck, als ob sie sich ganz harmlos übers Wetter unterhielten. Nur ihre Hände, die sie zu Fäusten ballte, verrieten ihre Anspannung.
Ethan fuhr fort:
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