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Die letzte Schoepfung

Die letzte Schoepfung

Titel: Die letzte Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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»Hast du Anna gemocht, Callie?«
    Sie zuckte die Achseln. »Sie war ganz nett.« Sie zögerte. »Sie wissen schon – vorher.«
    »Du meinst, bevor sie euch geholfen hat zu fliehen?«
    »Mmm-hm.« Wieder zögerte Callie, schaute zu ihrem Bruder hinüber. »Ich hab's Danny nicht gesagt, weil ich nicht wollte, dass er sich schlecht fühlt.«
    »Hat sie euch etwas getan?«
    Callie schüttelte den Kopf, und Sydney stieß den angehaltenen Atem aus. »Nein. Ich hab sie einfach nicht mehr gemocht. Sie war nicht nett.«
    Sydney überlegte, ob sie noch mehr Fragen stellen sollte, hielt es dann aber für besser, das Thema fallen zu lassen. Sie konnte ihren eigenen Motiven nicht ganz trauen, wenn es um Anna Kelsey ging. Und was immer die Frau verbrochen haben mochte – sie hatte bei dem Versuch, diesen Kindern zu helfen, den Tod gefunden.
    Wieder hüllte die Stille sie ein, doch nun war es weit angenehmer. Callie ging ans Fenster, während Sydney sich weiterhin Gedanken über die mögliche Krankheit des Kindes machte. Hing es mit einem schwachen Immunsystem zusammen? Nein, das ergab keinen Sinn, weil Callie schon ein paar Tage aus ihrer keimfreien Umgebung heraus war und dennoch keine Symptome zeigte. Wenn sie überempfänglich für Infektionen war, hätte sie sich vermutlich längst etwas eingefangen. Doch ohne Untersuchungen konnte Sydney keine stichhaltigen Schlüsse ziehen.
    »Kommen Sie mit uns?«, fragte Callie, ohne sich umzudrehen. »Und helfen Sie, unseren Vater zu finden?«
    Sydney richtete den Blick auf den Himmel, der nun rasch dunkler wurde. »Ich weiß es nicht.« Sie wählte ihre Worte sorgfältig. »Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, wenn ihr ganz allein euren Vater finden wollt.« Dann fügte sie hinzu, sowohl an Callie als auch an sich selbst gewandt: »Vielleicht wäre es doch besser, die Polizei zu rufen, damit die herausfindet, was da los ist.« Oder Charles, der über ein ausgedehntes Netz von Beziehungen verfügte.
    Callie sah sie mit großen blauen Augen an – mit einem Blick, der plötzlich älter wirkte als ihre sieben Jahre. »Sie sind böse auf ihn, nicht?«
    Die Frage erwischte Sydney kalt, und sie dachte zuerst daran, Unverständnis vorzutäuschen. Aber was hätte das für einen Sinn gehabt? Beide wussten genau, dass Callie von Ethan sprach.
    Und? War Sydney böse auf ihn?
    Es war nicht gerade der Ausdruck, den sie gewählt hätte, aber er schien ihr zu passen. Zumindest hatte er bis gestern Abend gepasst. Sie war wütend auf Ethan gewesen, sehr wütend und verletzt. Ihr Sohn war gestorben, und sie hätte ihren Mann gebraucht, doch der war nicht mehr an ihrer Seite gewesen. Nie hatte sie diese simple Gleichung hinterfragt. Doch nun wusste sie, dass es so nicht bleiben konnte.
    Sie musste erfahren, warum Ethan sie verlassen hatte. Sie beide mussten die losen Fäden ihrer gescheiterten Ehe verknüpfen und einander verzeihen. Und das konnte nicht geschehen, wenn sie einfach davonlief.
    »Nein, Callie, ich bin nicht böse«, sagte Sydney. »Nicht mehr. Aber ich bleibe nicht nur wegen Ethan.«
    Sie konnte auch die Kinder nicht im Stich lassen. Von der ersten Begegnung an hatte sie gespürt, dass diese Kinder jemanden brauchten, und wenn Sydney sie der Polizei übergab, würde sie niemals die Wahrheit erfahren. Die Behörden würden die Kinder nach Haven Island zurückschicken, und Sydney würde nie erfahren, warum man sie ihren Eltern entrissen hatte oder ob sie tatsächlich Waisen waren, wie ihre Aufpasser behaupteten. Und sie würde niemals die Wahrheit um Callies Krankheit herausfinden oder warum man diese beiden Kinder, die einander so sehr liebten, voneinander getrennt gehalten hatte.
    Callie sah nicht überzeugt aus.
    Sydney nahm wieder ihre Hand und lächelte. »Das ist das Beste, dir und deinem Bruder zu helfen.«
    Callie legte den Kopf schief. Die verschiedensten Gefühle spiegelten sich auf ihrem kleinen Gesicht: Zweifel, Furcht, Hoffnung – alles löste einander in rascher Folge ab. Endlich sagte sie: »Wir brauchen euch.«
    Die Schlichtheit des Kindes brachte Sydney fast zum Weinen. Sie schloss die Augen, drückte die Kinderhand. »Ich weiß.«

13.
    Ethan wollte irgendetwas schlagen, so fest er konnte.
    Drei lange Jahre hatte er sich nun eingeredet, er sei fertig mit der Firma und ihrem Totentanz; die ganze Zeit hatte er davon geträumt, Ramirez zu fassen und ihn sterben zu sehen. Er wollte seine Hände um den Hals des Mannes legen und spüren, wie dessen Leben unter seinen

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