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Die letzte Schoepfung

Die letzte Schoepfung

Titel: Die letzte Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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Fingern zerfloss.
    Und dann, noch vor wenigen Stunden, war Ramirez in Reichweite gewesen. Und Ethan hätte beinahe versagt, weil er seine Rache über alles andere stellte. Sie waren gerade noch entkommen. Und nun war Ramirez ihnen immer noch nahe – so nahe, dass Ethan seine Anwesenheit wie einen fauligen Wind auf der Haut spüren konnte. Aber er konnte nichts dagegen unternehmen, solange Sydneys Leben und das der beiden verwaisten Ausreißer von ihm abhingen.
    Ethan schloss die Augen und bezwang sein Verlangen, mit der Faust auf den nächsten Baumstamm einzudreschen. Wenn er einmal damit anfing, würde er nicht mehr aufhören können. Er würde sich hineinsteigern, bis Blut strömte oder er sich einen Knochen brach; er würde so lange blindlings drauflosdreschen, bis er vor Schmerzen zusammenbrach und jeder Gedanke, jede Erinnerung ausgelöscht war.
    Wie konnte er Sydney und den Kindern dann noch nützen?
    Er zwang sich, ruhig und tief zu atmen, widmete sich wieder seinen Tai-Chi-Übungen. Er musste Ramirez vergessen, seine Wut beherrschen und sich auf seine Schützlinge konzentrieren. Langsam, geschmeidig glitt sein Körper von einer Position in die nächste, doch seine Gedanken blieben bei seinem Sohn. Und bei dem Mann, der ihn getötet hatte.
    Hass kreiste in ihm wie etwas Lebendiges, eine furchtbare Macht, die ihn zu verzehren drohte. Er hielt ihn nieder, versenkte sich in die stetigen Bewegungen, in seinen Atem und seinen Herzschlag. Wieder und wieder vollzog er das Ritual, während die Jagdlust in ihm wütete, an den Banden zerrte, die ihn an diesen Ort und die drei Schlafenden fesselten.
    Ethan hätte nicht sagen können, wie lange er die Übungen ausführte, doch endlich brachte die Erschöpfung die gewünschte Erleichterung. Immer noch spürte er den Rachedurst in sich, begraben unter einer lebenslang geübten Disziplin, doch im Augenblick hatte er ihn unter Kontrolle. Erst jetzt wagte er, seine Arme im Kreis in die Höhe zu schwingen und die Handflächen vor der Brust zusammenzudrücken. Als er die Arme fallen ließ, sah er, dass Sydney ihn vom Fenster aus beobachtete.
    Sie war so blass. Wie an dem Tag, als sie Nicky beerdigt hatten.
    Die Erinnerung schmerzte, doch er konnte sie nicht ausblenden. Nicht jetzt, wo Sydney so nahe war. Nicky war Mitte August gestorben, als die trockene, tote Sommerhitze von Texas ihren Höhepunkt erreicht hatte. Selbst unter den mächtigen Eichen, die seine letzte Ruhestätte beschatteten, war es heiß wie in einem Backofen gewesen.
    Der Tag erstand in Ethans Erinnerung.
    Sie waren in einer schwarzen Limousine zum Friedhof gefahren. Sydneys Eltern hatten ihre Tochter begleiten wollen, doch Ethan verfrachtete sie in den zweiten Wagen, und Sydney hatte nichts dagegen gesagt. Sie hatte kein Wort gesprochen, selbst als sie Hand in Hand am Grab standen und der rauen Stimme des jungen Pfarrers lauschten, der versuchte, ihnen Trost zu spenden.
    Die Welt um sie herum erschien unnatürlich hell. Unwirklich. Der Himmel war heiter, so blau, dass es wie ein Schlag ins Gesicht war, wie ein Hohn auf diesen Tag. Ebenso der Geruch frisch gemähten Grases und das Brummen eines fernen Rasenmähers. Insekten summten. Ein Krabbelkind wand sich und quäkte, bis es von einem peinlich berührten Erwachsenen fortgebracht wurde. Sydneys Mutter, die auf der anderen Seite ihrer Tochter stand, schniefte, wischte sich die Augen und klammerte sich an den Arm ihres Mannes. Die Grube in der Erde wirkte riesig; der Boden war tiefbraun. Die Rosen auf Nickys Sarg waren rot, blutrot.
    Und Sydney.
    Ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren. Das Haar hatte sie straff zurückgebunden. Vom Weinen verschwollene Augen hinter dunklen Gläsern. Ein Teil von ihr war mit Nicky gestorben. Ethan spürte dunkel, dass sie sich in den Sarg zu ihrem Sohn legen wollte. Er sah im Geiste, wie er sie auf dem benachbarten Grabfeld beerdigte, und legte ihr zitternd den Arm um die Schultern.
    Das konnte er nicht zulassen.
    Zumindest war es das, was er sich einredete, wie er seine Handlungen an diesem Tag rechtfertigte. In Wahrheit hatte er bloß hilflos vor ihrem Schmerz gestanden und nichts gefunden, womit er ihn hätte heilen können.
    Er hatte seine Entscheidung getroffen, als der kleine Sarg in die Erde hinabgelassen wurde. Sydney hatte ein Schluchzen unterdrückt, war dann aber doch in Tränen ausgebrochen, als ihre Mutter sich zu ihr wandte und sie in die Arme nahm. In diesem Augenblick war Ethan zurückgetreten. Er wusste, was er

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