Die Letzte Spur
»Du hast doch mit jemandem darüber gesprochen? Mit Dad? Aber er …«
Er wagte es kaum, sie anzusehen. »Nein. Nicht mit Dad. Mit Geoff.«
»Mit Geoff?«
»Ich habe ihn am Samstag in seinem Heim besucht. Es war eine furchtbare Stimmung zwischen uns. Geoff war in einer schlimmen Verfassung. Voller Aggressionen auf mich, gleichzeitig hoffnungslos. Irgendwie … ich weiß auch nicht, wie ich es erklären soll … irgendwie kam ein Moment, da wollte ich ihm etwas geben, woran er sich aufrichten konnte.« Jetzt schaute er seine Schwester an. »Es war feige. Ich wollte ihn von mir ablenken. Von den Vorwürfen, die er mir machte – oder die ich zumindest in allem, was er sagte, spürte. Ich dachte, wenn er hört, dass da eine Frau aufgetaucht ist, bei der es sich vielleicht um seine verschwundene Schwester handelt … Ein Blödsinn natürlich. Ihm Hoffnung zu machen, ohne zu wissen, ob auch nur der Hauch einer Chance besteht, es könnte wahr sein … Es hat ohnehin nicht funktioniert. Er vermutete sofort ein Komplott, mit dem du Marc Reeve reinzuwaschen versuchst …«
Sie atmete tief. »Genau das, was diese Zeitung andeutet. Ich denke, damit ist klar, wem wir diesen Artikel verdanken. «
»Du meinst, Geoff greift wirklich zum Telefon und …«
»Geoff ist besessen von der Annahme, dass Marc Reeve ein Mörder ist. Er würde alle Hebel in Bewegung setzen, ihm das nachzuweisen. Oder um zumindest zu verhindern, dass er seine Unschuld nachweisen kann.«
Cedric fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Wie auch bei seiner Schwester standen sie in kleinen Wirbeln ab. »Es tut mir so leid, Rosanna. Ich hätte das nicht tun dürfen. Ich habe diese Kette von Reaktionen nicht im Mindesten vorhergesehen, aber – ich hätte es trotzdem nicht tun dürfen.«
Er überflog den Artikel. »Aber«, sagte er dann vorsichtig, »wieso … ich meine: Abgesehen davon, dass die dir hier eine Affäre mit Reeve unterstellen, womit du sicher Schwierigkeiten bekämst, wenn das irgendwie Dennis zu Ohren kommt, sehe ich nicht ganz das Problem. Was ist letztlich so schlimm an diesem Artikel? Ihr habt die falsche Frau vorgefunden, die Sache hat sich nun geklärt, und schon morgen interessiert das keinen mehr. Geoff hat nur dafür gesorgt, dass ihr keine Möglichkeit habt, die falsche Elaine für die richtige auszugeben – und ich nehme stark an, dass ihr das sowieso nie vorhattet!«
Sie schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. So ein Gedanke konnte nur in Geoffs hassvernebeltem Gehirn entstehen. Aber, Cedric, der Artikel ist trotzdem eine Katastrophe. Allerdings konntest du das in deinem etwas geschwätzigen Moment wohl wirklich kaum ahnen.«
Cedric zog sie weiter in sein Zimmer herein und deutete auf einen Sessel. »Setz dich doch.« Er griff nach seinem Bademantel, schlüpfte hinein und setzte sich seiner Schwester gegenüber auf sein völlig zerwühltes Bett.
»Jetzt erzähl mir mal alles«, forderte er sie auf und fügte hinzu: »Du siehst schrecklich aus, wenn ich das sagen darf!«
»Ich habe die ganze letzte Nacht auf der Autobahn verbracht, die Nacht davor kein Auge zugetan, weil ich in einem unmöglichen Bett lag, und Samstag früh habe ich zum letzten Mal geduscht.« Sie holte tief Luft. »Cedric, wir sind da an eine wirklich gespenstische Geschichte geraten, und ich fürchte nun, dass Elaine tatsächlich nicht mehr am Leben ist. Diese Frau, die wir in Langbury angetroffen haben, Pamela Luke, stammt aus Liverpool – aus einer zerrütteten Alkoholikerfamilie. Vor elf Jahren, mit achtzehn, ging sie nach London, hielt sich dort mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Sie lernte einen Typen kennen, Pit Wavers, und wurde seine Freundin. Pit hatte einen engen Freund, Ron Malikowski. Beide Männer zeichneten sich durch extreme Brutalität aus und waren – neben allen möglichen kriminellen Machenschaften – vor allem als Zuhälter tätig. Sie sollen auch mit Menschenhändlerringen gearbeitet haben, die Frauen aus dem Osten nach England einschleusen und hier dann mit Gewalt zur Prostitution zwingen. Während Malikowski überaus brutal, aber dabei berechenbar war, begriff Pamela nach relativ kurzer Zeit, dass sie es bei Pit Wavers mit einem Psychopathen zu tun hatte – jedenfalls bezeichnet sie ihn heute als solchen. Er drohte ihr alles Mögliche an für den Fall, dass sie ihn verließe, und sie hatte das sichere Gefühl, dass es sich nicht um leere Drohungen handelte. Sie begann, Tag und Nacht auf Flucht zu sinnen, aber es verließ sie
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