Die Letzte Spur
darüber zu sprechen. Zu viele Probleme drängten.
Sie erhob sich ebenfalls. »Ich werde jetzt erst einmal duschen und mich umziehen. Und Dennis anrufen. Rob ist seit Freitagabend verschwunden.«
»Was?«
»Sie hatten wieder Streit, wegen einer Party, zu der Dennis ihn nicht gehen lassen wollte. Es sind immer die gleichen Themen zwischen ihnen. Insofern glaube ich auch nicht, dass etwas passiert ist, ich glaube, dass Rob einfach nur irrsinnig wütend auf seinen Vater ist und sich bei irgendeinem Freund versteckt. Trotzdem ist das natürlich eine schreckliche Situation für Dennis.«
»Vielleicht hält sich Rob auch versteckt, weil du weg bist«, sagte Cedric.
Auf diesen Gedanken war Rosanna noch nicht gekommen. »Meinst du wirklich?«
»Ich glaube, dass deine beiden Männer, jeder auf seine Art, dort in Gibraltar Amok laufen. Du bist der Stabilisierungsfaktor in dieser Familie. Wenn du fehlst, haben beide erhebliche Probleme.«
»Ich kann nicht immerzu auf sie aufpassen.«
»Natürlich nicht. Aber bei jedem Abnabelungsversuch von deiner Seite brennen bei beiden erst einmal die Sicherungen durch. Das musst du einfach wissen.«
Sie ging zur Tür. Sie war so müde, dass sie auf der Stelle hätte einschlafen mögen. Zugleich vibrierten ihre Nerven. Ihr Leben kam ihr im Augenblick vor wie ein verrückter, beängstigender Film.
»Ach, Rosanna«, sagte Cedric, als sie schon die Hand auf der Türklinke hatte. »Stimmt es eigentlich, was hier steht? Dass da … irgendetwas läuft zwischen dir und Marc Reeve?«
Sie beide hatten sich als Kinder bis zum Umfallen gestritten und einander manchmal am liebsten die Augen ausgekratzt, aber sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt. Jeder war der engste Vertraute des anderen gewesen.
»Ja«, sagte sie deshalb einfach, »es stimmt.«
Cedric pfiff durch die Zähne. »Dann hast du noch mehr Probleme, als ich dachte.«
Sie erwiderte darauf nichts, sondern verließ das Zimmer.
Draußen lehnte sie sich für einige Sekunden mit dem Rücken an die Wand und atmete tief durch.
Eins nach dem andern. Sonst verlierst du die Nerven. Einfach eins nach dem andern!
Der nächste Schritt war eine ausgiebige, heiße Dusche.
Bevor sie diese nicht hinter sich hatte, würde sie über nichts Weiteres nachdenken.
4
Pit Wavers hatte sein eigenes Auto vorsichtshalber stehen lassen. Der Wagen war in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung geparkt, und wenn er auch den Schlüssel dabeihatte, so empfand er doch das Risiko als zu groß. Zudem würde sein Autokennzeichen im Blickpunkt polizeilichen Interesses stehen, wenn Ron sang und die Bullen nach ihm, Pit, fahndeten. Und er war nicht blöd. Er hatte nicht vor, sich für zwanzig Jahre einbuchten zu lassen, nur weil er zwei Schlampen um die Ecke gebracht hatte, die für diese Welt ohnehin nicht von Nutzen waren.
Er kannte einen Kumpel, der ihm noch einen Gefallen schuldete, und von dem lieh er sich ein Auto.
»Kann sein, du bekommst es erst in ein paar Tagen zurück«, sagte er.
Der Kumpel hatte gerade etliche Joints geraucht und blinzelte ihn aus glasigen Augen an. »Klar. Kein Problem«, murmelte er. Pit hatte den Eindruck, dass er zehn Minuten später kaum noch wissen würde, wem er sein Auto eigentlich geliehen hatte.
Umso besser.
Es hatte ihn keinerlei Mühe gekostet, in einem Telefonbuch in der Post Marc Reeves Büroadresse ausfindig zu machen. Er fuhr sofort dorthin und strich eine Weile vor dem schönen, stuckverzierten Sandsteinbau in Belgravia herum. Das Büro befand sich, dem Klingelschild nach, im ersten Stock, aber er hatte den Eindruck, dass sich niemand dort aufhielt. Die Fenster gingen nach Norden und wurden zudem von hohen, wenn auch kahlen Bäumen beschirmt. Es hätte Licht brennen müssen. Es wirkte jedoch alles sehr dunkel.
Schließlich klingelte er probehalber, aber wie erwartet, geschah nichts. Reeve war nicht da. Und Rosanna Hamiltons Adresse war nicht herauszukriegen. Es wimmelte von Hamiltons in London, auch von solchen, deren Vorname mit R begann. Unmöglich, die Richtige zu finden. Nein, wenn es überhaupt eine Chance gab, an Pamela Luke heranzukommen, dann nur über Marc Reeve.
Er stand noch unschlüssig vor dem Hauseingang, als eine ältere Dame im Pelzmantel heraustrat und ihn misstrauisch anblickte.
»Zu wem wollen Sie denn?«, fragte sie mit scharfer, unfreundlicher Stimme.
»Zu Rechtsanwalt Reeve«, sagte Pit. Fasziniert betrachtete er die dicken Goldklunker an ihren Ohren. Immer wenn Menschen
Weitere Kostenlose Bücher