Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
musste sich beruhigen. Sie musste sich zusammenreißen, wenn sie wenigstens ein paar Antworten bekommen wollte. » Ich nehme an, Ihr Arbeitsvertrag verbietet es Ihnen nicht, ein Verhältnis mit einer Schülerin einzugehen? «
» Ein Verhältnis? « , fragte Woodhouse. » Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie reden. «
» Ich habe die E-Mails gelesen, die Sie Amelia geschickt haben, Mr Woodhouse. Alle « , sagte Kate. » Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, aber ich bin im Bilde. Wenn Sie mir nicht alles über diesen Club sagen, werde ich Ihre E-Mails an meine Tochter veröffentlichen als Beweis dafür, dass Sie sie sexuell belästigt haben. «
» Sexuell belästigt? « Woodhouse klang völlig verblüfft. » Wovon reden Sie überhaupt? Ich habe Amelia nie belästigt. Vielleicht habe ich sie am Ende ein bisschen zu sehr unter Druck gesetzt, und das bedaure ich, aber ich habe sie niemals belästigt. «
» Ach, so nennt man das heute? Was ist dann mit diesen persönlichen Gesprächen, die nach Schulschluss stattfanden– und über die Amelia mit niemandem sprechen sollte? «
Kate war sich nicht einmal sicher, ob sie selbst glaubte, was sie da sagte, aber das war ihr egal. Sie würde jede Waffe einsetzen, die ihr zur Verfügung stand, um Antworten zu bekommen.
» Mrs Baron, es steht Ihnen zu, aufgebracht zu sein, aber ich habe Amelia keinerlei unangebrachte Avancen gemacht. « Er klang zerknirscht. » Sie war eine vielversprechende Schülerin, eine außergewöhnliche sogar, und ich habe versucht zu verhindern, dass sie auf die schiefe Bahn gerät. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meine E-Mails an Ihre Tochter nicht so aus dem Kontext reißen würden. Mit Ihrer Vermutung, dass meine Mails einen falschen Eindruck machen würden, falls Sie sie veröffentlichen, liegen Sie zweifellos richtig. Aber ich versichere Ihnen, dass Sie und ich auf derselben Seite stehen. Wenn Sie ein bisschen Geduld aufbringen könnten. Ich versuche… «
» Ich bin mit meiner Geduld am Ende, Mr Woodhouse « , sagte Kate ruhig. » Sie haben vierundzwanzig Stunden, um mir alles über diesen Club zu erzählen, dem Amelia angehörte, sonst werde ich Ihre E-Mails an die Eltern sämtlicher Grace-Hall-Schüler weiterleiten. Und wenn das nicht hilft, werde ich einen Zivilprozess gegen Sie anstrengen. Vielleicht sogar einen Strafprozess. Ich bin Partnerin in einer großen, sehr einflussreichen Kanzlei. Das ist also keine Drohung, Mr Woodhouse, das ist eine Ankündigung. «
Kate legte auf, ehe Woodhouse darauf etwas antworten konnte, und betrachtete atemlos ihr Telefon. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie jemanden so massiv bedroht. Und sie hatte erst recht noch nie ihre Position bei Slone & Thayer so hemmungslos als Druckmittel benutzt. In Wirklichkeit hatte sie keinen einzigen Beweis dafür, dass Woodhouse Amelia sexuell belästigt hatte. Die E-Mails konnten als suggestiv aufgefasst werden, aber man konnte sie nicht direkt als übergriffig bezeichnen. In keiner einzigen SMS , die sie durchgesehen hatte, war ein Hinweis auf Woodhouse aufgetaucht, nicht einmal in den Chats mit Ben. Lew hatte Woodhouse gründlich überprüft und nicht einmal einen Strafzettel für zu schnelles Fahren ausgegraben.
Natürlich bewies das nicht, dass er sich keines Vergehens schuldig gemacht hatte. Und dabei hatte Kate noch längst nicht alle SMS gesichtet. Nicht einmal alle, die Amelia und Ben miteinander ausgetauscht hatten. Doch selbst sie zweifelte an der Geschichte. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Woodhouse Amelia irgendetwas angetan hatte, noch weniger, dass er etwas mit dem zu tun hatte, was Amelia zugestoßen war. Sie musste einfach darauf hoffen, dass Woodhouse einlenkte, ehe sie sich gezwungen sah, ihre Drohung wahrzumachen.
Kate stand immer noch mit dem Telefon in der Hand da, als ihr Handy klingelte. Das musste Lew sein, dachte sie und eilte ins Wohnzimmer. Aber es war Jeremy. Er rief sie eigentlich nie auf dem Handy an, es sei denn, sie wurde ganz dringend in der Kanzlei gebraucht.
» Alles in Ordnung? « , meldete sie sich.
» Ja, ja, keine Sorge « , sagte Jeremy, bemüht, so jovial wie immer zu klingen. Aber es gelang ihm nicht ganz.
» Geht es um Victor? « , fragte Kate. » Du brauchst mich nicht zu schonen. Schieß los. « Nicht, dass sie alles stehen und liegen lassen und in die Kanzlei eilen würde. Die Zeiten, als sie Amelia wegen ihrer Arbeit vernachlässigt hatte, waren vorbei. » Ist er sauer, weil ich nicht zu
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