Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
hier und könntest das alles mit mir zusammen erleben. Es ist unglaublich. Dabei kennen wir uns nicht mal richtig. Aber ich meine es trotzdem ernst.
Schreib mir und erzähl mir Neuigkeiten aus den Staaten und vor allem von dir. Überlegst du immer noch, aus der Kanzlei auszusteigen? Falls ja, wir können hier jederzeit Leute brauchen, die mit anpacken. In den nächsten zwei Wochen habe ich Zugang zum Internet, dann werde ich ein halbes Jahr lang nicht zu erreichen sein. Ja, ich weiß, ein halbes Jahr … Sechs Monate. Dabei haben wir nur sechs Stunden miteinander verbracht.
Andererseits glaube ich, dass das, was sein soll, auch sein wird.
Jeder hat seine Leuchttürme, die einem den Heimweg zeigen.
Peace!
Rowan
Kate
28. NOVEMBER
Ein Mädchen. Amelia war in ein Mädchen verliebt gewesen. Nachdem Lew Kate zu Hause abgesetzt hatte, hatte sie sich im Mantel aufs Sofa gesetzt und die Worte immer und immer wiederholt. Meine Tochter war in ein Mädchen verliebt. Meine Tochter war in ein Mädchen verliebt. Ihr Desinteresse an Jungs war keine Folge davon, dass sie eine Spätzünderin gewesen war. Es hatte nie existiert.
Es machte Kate nichts aus, dass Amelia lesbisch gewesen war, aber es verletzte und erschütterte sie, dass sie nichts davon gewusst hatte. Überhaupt nichts. Tief in deinem Innern hast du bestimmt etwas geahnt, würden ihre Freunde sagen, wenn sie davon wüssten. Weil eine Mutter angeblich aufgrund magischer, kosmischer Kräfte alles über ihre Kinder weiß. Kate hatte immer bezweifelt, dass sie über diese Art mütterlicher Intuition verfügte, doch sie hatte geglaubt, die Nähe, die zwischen ihr und Amelia bestand, würde diesen Mangel wettmachen. Das war ein großer Irrtum. Daran bestand kein Zweifel mehr.
Plötzlich bekamen all die Hasszettel einen ganz anderen Sinn. Hatten die Mädchen aus der Birds of a Feather -Gruppe Amelia übelgenommen, dass sie lesbisch war? Eigentlich war es schwer vorstellbar, dass Teenager in einem so progressiven Umfeld wie Park Slope derart heftig auf so etwas reagieren würden. Aber vielleicht war eine Beziehung zwischen zwei Mädchen der Gruppe das eigentliche Problem gewesen. Schließlich hatte Dylan auch auf der Liste gestanden, wie sie von Lew erfahren hatte, nachdem sie bei Liv gewesen waren. Kate musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, bei ihrer Rückkehr nach Hause nicht sofort an ihren Computer zu stürzen und Dylans Fotos auf der Seite von Birds of a Feather aufzurufen. Aber die Freundin ihrer Tochter auf anzüglichen Fotos zu sehen, hätte sie nicht verkraftet.
Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und schickte Seth eine SMS .
Amelia war lesbisch.
Wie erwartet, dauerte es keine Minute, bis er sie anrief.
» Wie kommst du darauf, dass sie lesbisch war? « , fragte er ohne Einleitung.
» Ich habe gerade erfahren, dass sie ein Verhältnis mit einem Mädchen hatte. «
» Hm. « Seth schwieg. Kate wartete darauf, dass er noch etwas sagen würde.
» Hm? Ist das alles? « , fauchte sie. » Mehr hast du nicht dazu zu sagen? Hast du es etwa gewusst? «
» Woher hätte ich das denn wissen sollen? « , fragte Seth beinahe gekränkt. » Wir senden schließlich keine geheime Frequenz aus, die nur Homosexuelle hören können. «
» Trotzdem wirkst du nicht gerade überrascht. «
Seth holte tief Luft. » Ich hatte das Gefühl, dass Amelia dabei war, Dinge auszuprobieren. Ich meine, so ein hübsches junges Mädchen und weit und breit kein Junge in Sicht? Da hab ich mir so meine Gedanken gemacht. Aber das alles dürfte dir ja auch nicht entgangen sein. «
Es war ihr jedoch entgangen. Und zwar vollkommen.
» Warum hat sie mir nichts davon gesagt? « , fragte Kate kläglich. » Wir standen uns doch so nah. Warum ist sie nicht damit zu mir gekommen? «
» Also, meine Eltern sind absolut in Ordnung. Sie lieben mich bedingungslos, und wir haben uns auch schon immer sehr nahegestanden. Ich wusste, dass meine Vorliebe für Jungs daran nichts ändern würde. Aber erinnere dich mal daran, wie lange ich gebraucht habe, bis ich es mir selbst eingestehen konnte, ganz zu schweigen davon, es meinen Eltern zu sagen. Ich selbst war noch nicht so weit. So einfach war das. Es hatte überhaupt nichts mit meinen Eltern zu tun. «
» Und warum fühle ich mich dann so elend? «
» Hör zu, Lola ist erst fünf, und ich weiß jetzt schon, dass es zu fünfundneunzig Prozent furchtbar ist, Vater zu sein « , sagte Seth. » So wie ich das sehe, sind es die verbleibenden fünf
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