Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
sprechen bin? Das wundert mich nicht. Vielleicht hättest du den Fall doch Daniel überlassen sollen. Wirklich, ich glaube… «
» Nein, das hätte ich nicht « , unterbrach Jeremy sie trocken. » Aber ich rufe sowieso nicht wegen des Falls an. Es geht um etwas Persönliches. «
» Persönlich für wen? « , fragte Kate.
» Für uns « , sagte Jeremy.
» Was soll das heißen, für… « Während sie die Worte aussprach, öffnete sich ein Abgrund in ihrem Magen. » Oh. «
Sie hatte die Erinnerung so sehr verdrängt, dass sie manchmal schon gar nicht mehr zu existieren schien. Manchmal. Jeremy und sie hatten schon seit Jahren nicht mehr darüber gesprochen. Es war fast so, als wäre es nie geschehen. Bis jetzt.
» Es ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt, ich weiß « , sagte Jeremy. Er klang regelrecht aufgewühlt. Das war untypisch. Das war beängstigend. » Aber ich wollte nicht… Ich denke, du solltest es erfahren. «
» Was? « , fragte Kate.
» Darüber würde ich lieber unter vier Augen mit dir reden « , sagte Jeremy. » Vielleicht können wir uns gegen sechs irgendwo bei dir in der Nähe auf einen Drink treffen. «
» Jeremy, es wäre mir wirklich lieber, wenn du mir gleich sagen würdest, was los ist « , sagte Kate. » Ich habe keine Lust, schon wieder auf eine Hiobsbotschaft zu warten. «
» Ich weiß, Kate, es tut mir leid. « Seine Stimme klang ernst, beinahe fremd. Es war vor allem sein Ton, der sie davon abhielt, weiter auf ihn einzureden. » Aber ich glaube, es ist wirklich besser so. «
» Also gut « , sagte Kate. » Wir treffen uns um sechs in der Thistle Tavern. Das ist gleich bei mir um die Ecke. «
» Klingt gut. Bis später dann « , sagte Jeremy. » Und, Kate– es tut mir leid. «
» Was? «
» Alles. «
Eine Stunde später gingen Kate und Lew die Stufen zu dem Haus hoch, in dem Dylan wohnte.
» Sind Sie sicher, dass Sie das verkraften? « , fragte Lew, bevor sie die Haustür erreichten. » Denn je näher wir den Leuten kommen, die tatsächlich etwas mit dem zu tun hatten, was Amelia zugestoßen ist, umso weniger wird Rücksicht auf Ihre Gefühle genommen werden. Da ist sich jeder selbst der Nächste. «
Kate bemühte sich, keine Miene zu verziehen. » Ich weiß « , sagte sie. » Das halte ich aus. Versprochen. «
Die richtige Antwort lautete natürlich Nein. Nein, Kate würde es nicht aushalten. Auf keinen Fall. Denn sie hatte bereits sämtliche SMS gelesen, die Dylan und Amelia ausgetauscht hatten. Sie wusste, dass ihre Tochter diese Dylan geliebt und alles darangesetzt hatte, sie nicht zu verlieren. Dass Dylan Amelia das Herz gebrochen hatte, auch wenn Kate sich aus den Informationsschnipseln, die sie gesammelt hatte, nicht erklären konnte, warum.
Lew schaute Kate durchdringend an und wartete darauf, dass sie in Tränen ausbrach. Als nichts passierte, holte er tief Luft und klingelte.
Eine attraktive Frau mit hohen Wangenknochen und rotbraunem Haar machte auf. Sie war älter als Kate, vielleicht Ende vierzig, aber sehr auffällig und außerordentlich gepflegt. Sie kam Kate irgendwie bekannt vor, doch sie konnte sie nicht einordnen.
» Ja bitte? « , sagte sie mit einem breiten, unterkühlten Lächeln.
Lew zeigte ihr seine Marke, was nur dazu führte, dass sie noch eisiger wurde.
» Ich bin Lieutenant Lew Thompson, und das ist Kate Baron. Wir würden Ihrer Tochter gern ein paar Fragen zu einer Schülerin stellen, die vor ein paar Wochen in der Grace-Hall-Schule zu Tode gekommen ist. Amelia Baron. Kate ist ihre Mutter. «
» Ach Gott « , sagte die Frau mit einem theatralischen Seufzer und ergriff Kates Unterarme mit beiden Händen. » Was für eine Tragödie. Wirklich entsetzlich. Kommen Sie doch herein. Ich bin Celeste, Dylans Mutter. «
Die Einrichtung bestand hauptsächlich aus dunklem Holz. Überall verschnörkelte, viktorianische Möbel und schwere Brokatstoffe. Das alte Haus war in seinen ursprünglichen Details erhalten, bis hin zu den Schiebetüren, der Bleiverglasung und der mit Ornamenten versehenen Zinnverkleidung an den Zimmerdecken. Jede verfügbare Fläche war mit Nippes vollgestellt– kleine Porzellanvasen, alte Fotos in schweren Rahmen, Schnupftabakdosen in einer Glasvitrine. Es war alles sehr geschmackvoll arrangiert, aber es war so viel, dass es einen erschlug.
Sie standen immer noch in der Eingangsdiele, die völlig überladen war mit einer überdimensionalen Garderobe und einem schweren hohen Spiegelschrank. Doch Celeste– die Kates Arme
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