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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Lakonier zahlten für ihre höchst einseitige Neigung zur Gewalt einen hohen Preis, und dies gleich zweifach. Das Volk umfasste nicht mehr als dreizehntausend Köpfe, von denen zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Drittel in Söldnerdiensten stand, für die sie ausgesprochen gut bezahlt wurden. Der größte Teil des lakonischen Staates wurde durch die Heloten finanziert. Der Begriff »Sklave« ist völlig unzureichend, um die Unterwerfung und Leibeigenschaft zu beschreiben, denen diese armseligen Menschen ausgesetzt waren. Im Unterschied zu den Sklaven im Materazzi-Reich und in anderen Nationen waren die Heloten keine Mischung verschiedener Rassen, die hier oder dort gefangen genommen und von einem Sklavenhalter an den nächsten weiterverkauft wurden. Vielmehr waren sie besiegte Völker, die in ihrer Gesamtheit unterworfen worden waren und nun das Land bebauten, das ihnen einst gehört hatte, und die Handelswaren herstellten, welche die Lakonier natürlich sofort für sich beanspruchten. Die Lakonier zogen ihre Kinder in Kasernen auf, wo sie lernten, sich vor nichts auf der Welt zu fürchten, mit einer Ausnahme: den Heloten. Da die Lakonier von einer gewaltigen Überzahl dieser Staatssklaven umgeben waren, war deren kontinuierliche Unterwerfung für sie genauso wichtig wie ihre Besessenheit vom Krieg. Die Heloten ermöglichten es den Lakoniern, diese Besessenheit zu ihrem Lebenszweck zu machen, aber sie stellten zugleich die größte Bedrohung für diese Lebensweise dar. Die Unterdrückung der Heloten, die einst als Vorwand für die endlosen Kriegszüge gedient hatten, wurde nun zur Begründung dafür, dass die Lakonier den Krieg unvermeidlich weiterführen mussten. Der bösartige Hund mit den rasiermesserscharfen Zähnen war nun besessen davon, sich in den eigenen Schwanz zu beißen.
    Die Lakonier wurden von fünf Ephoren regiert, die aus der kleinen Zahl derer erwählt wurden, welche das sechzigste Lebensjahr erreichten. Der Hinweis in dem Schmählied, dass die Ephoren von knochiger Gestalt gewesen seien, wird von den bislang bekannt gewordenen historischen Quellen nicht bestätigt. Oft wird auch behauptet, vor allem von Leuten, die die Lakonier verachteten, und davon gab es nicht wenige, dass der berühmte lakonische Humor immer auf Kosten anderer Menschen gehe, vor allem zu Lasten körperlich behinderter Menschen, da diese von den Lakoniern gering geschätzt wurden. Das jedoch schien nicht immer wahr gewesen zu sein, zumindest dann nicht, wenn die berühmte Legende über den Ephor Aristades stimmte. Alle fünf Jahre erhielten die lakonischen Männer die Gelegenheit, über die Hinrichtung eines Ephors abzustimmen, über dessen Torheit oder Stolz oder welche Eigenschaft auch immer sie sich besonders geärgert hatten. Das Urteil wurde nur ausgeführt, wenn sich mehr als tausend Männer dafür aussprachen. So wurde dem Ephor Aristades eines Tages klar, dass sich die Zahl der Stimmen, die seinen Tod forderten, der kritischen Zahl näherte. Es ergab sich jedoch, dass ein des Schreibens unkundiger Bürger aus den ärmsten Schichten, der Aristades nicht persönlich kannte, ihn bat, den Namen »dieses Schurken Aristades« auf eine der Tontafeln zu schreiben, die für die Wahl verwendet wurden. Man rechnete es Aristades hoch an, dass er der Bitte unbekümmert nachkam. Der Legende zufolge überlebte er nur mit einer Mehrheit von zwei Stimmen.
    Ein Kind, das in eine lakonische Familie geboren wurde, hatte nichts zu lachen. In Memphis scherzte man, dass die Kinder, die in die Entsorgungsschlucht geworfen wurden, eigentlich das bessere Los gezogen hätten. Wer in die Kaserne kam, musste eine grauenhafte Kost erdulden, die so miserabel war wie der Fraß, den die Erlösermönche ihren Akoluthen verabreichten. Und außerdem erhielten die lakonischen Kinder sehr viel weniger zu essen. Der Geiz war Absicht: Die Kinder sollten möglichst früh lernen, stehlen zu müssen, um zu überleben. Wurden sie erwischt, so wurden sie erbarmungslos bestraft, aber nicht wegen ihres unmoralischen Verhaltens, sondern weil sie bei der Ausübung ihres Diebstahls nicht geschickt genug vorgegangen waren. Man erzählte sich eine Geschichte von einem zehnjährigen Jungen, der einen Schoßfuchs stahl, welcher dem Ephor Chalon gehörte. Der Junge plante, den Fuchs zu braten und zu essen; bevor er dem Tier jedoch den Hals umdrehen konnte, wurde er erwischt und öffentlich vorgeführt. Wie man sich erzählt, wollte er nicht zugeben, dass er bei dem Diebstahl

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