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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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auch die nächsten Menschen, denen er begegnet, ihn werden aufhängen wollen, da er ein Elf ist. Ich will nicht, dass er voller Freude darauf zuläuft, überzeugt, dass der Galgen eine Schaukel ist. Besser unglücklich, aber am Leben.«
    »Ich kann ihn beschützen.«
    »Das habe ich gesehen. Wenn da nicht die Ratten waren, wir würden jetzt am Galgen hängen.«
    » Wären da nicht die Ratten gewesen , hingen wir jetzt am Galgen«, berichtigte der Kleine, seine Klagen unterbrechend.
    Die Frau schloss ihn in die Arme und drückte ihn. Sein Gejammer verstummte nach und nach. Die ersten Sterne begannen zu funkeln. In einer weichen Linie zeichnete sich das Hügelland vor dem saphirblauen Himmel ab.
    Sie setzte den Kleinen auf die Schaukel und stieß ihn sanft an.
    »Sei ruhig wieder glücklich, wenn du magst, aber denk dran: Wenn die Menschen dich erwischen, hängen sie dich auf.«
    »Und essen sie mich mit Rosmarin?«
    »Nein.«
    »Ohne Rosmarin?«
    »Die Menschen essen keine Elfen. Nie.«
    »Und warum wollen sie mich dann aufhängen, wenn sie mich danach gar nicht essen? Das ist nicht nett, nein, nein, nein, nein, überhaupt nicht nett. Warum tun sie das?«
    Die Schaukel glitt leicht vor und zurück.
    »Weil alle Menschen die Elfen hassen.«
    »Und warum?«
    Es entstand eine lange Pause. Die Schaukel glitt sachte vor und zurück. Der Hund gähnte.
    »Es ist eure Schuld.«
    »Was ist unsere Schuld?«
    »Alles.«
    »Was alles?«
    »Na, alles, was schiefgeht. Die Finsternis. Der Regen, Jia, der Regen. Das Wasser, das die Erde überschwemmt. Die Hungersnot. Unsere Kinder sterben vor Hunger und das ist eure Schuld. Ganze Dörfer sind vom Wasser hinweggefegt worden.«
    »Wir machen, dass es regnet? Und wie?« Der Kleine war entrüstet. »Und wie?«
    »Was weiß ich. Vielleicht, indem ihr an den Regen denkt.«
    »Wenn ich Regen machen könnte, indem ich daran denke, dann würde ich jetzt an schönen Sonnenschein denken, damit ich trockene Füße bekomme. Und dann«, fuhr der Kleine fort, »wären wir ja ganz schön dumm, denn Regen und Elend treffen uns ganz genauso wie euch, wenn nicht schlimmer. Warum hat Großmutter denn dann nicht an die Sonne gedacht, als das Wasser stieg und stieg? Warum hat Mama nicht gedacht, dass sie bei mir bleibt, als sie dorthin gehen musste, von wo niemand mehr wiederkehrt?«
    Der Kleine fing wieder an zu weinen. Ein leises Wimmern.
    »Nun«, der Jäger wirkte verwundert. »Alle sagen, schuld sind...«
    Hilfe suchend sah er sich nach der Frau um.
    Die Frau stand bei der Schaukel. Ihre Stirn war leicht gerunzelt, aber sie war weder böse noch traurig: Sie sah nur aus wie jemand, der gründlich nachdenkt.
    »Wir hassen euch, weil ihr besser seid als wir. Unerträglich. Aber besser«, schloss sie. »Ihr habt Zauberkräfte. Ihr wisst mehr. Was wir als Zeichnungen ansehen, sind für euch Worte … Ich glaube, wir haben Angst vor euch. Und da wir nicht genau wissen, wie mächtig ihr wirklich seid, halten wir euch für übermächtig. Unsere Ohnmacht ist so... vollkommen, dass jeder...«
    Der Kleine hatte aufgehört zu weinen.
    »Übrigens«, fuhr die Frau fort, »wie hast du es angestellt, dass du immer den richtigen Schlüssel zum jeweiligen Schloss gefunden hast?«
    Der Kleine war erstaunt.
    »In welchem Sinn den richtigen Schlüssel?«, fragte er interessiert.
    Jetzt war es an der Frau, erstaunt zu sein.
    »Nun, halt den, dessen Bart genau mit dem Profil des betreffenden Schlosses zusammenpasst und es daher aufschließt, wenn man ihn hineinsteckt und umdreht.«
    »Hineinstecken und Umdrehen?« Der Kleine staunte. »Ahhhhhhhh wirklich? Man muss ihn hineinstecken? Und das Pri…«
    » Profil passt, das heißt, Schlüssel und Schloss passen ineinander.«
    Der Kleine war tief beeindruckt. Er begann, so angestrengt nachzudenken, dass sich seine Stirn in Falten legte. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ich habe verstanden!«, rief er begeistert. »Für jedes Schloss gibt es einen Schlüssel. Man steckt ihn hinein, und wenn es der richtige ist, passt der Bart ins Profil, und beim Umdrehen schiebt er den Riegel beiseite, der die Tür verschließt. Das ist genial. Wirklich genial! Unglaublich schlau, dafür, dass es von Menschen ausgedacht ist! Wirklich! Großmutter hat immer behauptet, das Äußerste, was ihr zuwege bringt, ist, ein Kapitell auf eine Säule zu setzen, aber dabei könnt ihr ja richtig genial sein! Das ist fantastisch!«
    Eisiges Schweigen.
    »Verbindlichsten Dank«, sagte der Jäger

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